Kojotenhöhle

Was dich hier erwartet, ist nicht der Versuch, irgendetwas zu umschreiben. Ich nenne die Dinge durchaus beim Namen, auch wenn ich versuche, das niveauvoll zu tun. Und ich versuche außerdem, Geschichten zu erzählen, in denen der Sex ein Teil des Ganzen ist und nicht der einzige Teil. Man findet hier wohl auch Grenzwertiges für manche Geschmäcker. Ob man es als BDSM-artig oder als abartig empfindet, liegt dabei ganz im Auge des Betrachters.

Wenn es dir gefällt, lass es mich wissen. Wenn es dir nicht gefällt, gerne auch. Hinterlass mir einen Kommentar oder schreib es mir per Mail an Mike.Stone bei gmx.net .

Freitag, 11. Mai 2012

Junge Liebe - Kapitel 2 - Teil 01

Junge Liebe
Kapitel 2
Eine Geschichte über die Jugend, die Liebe und erste Male.
© 2012/2013 Coyote/Kojote/Mike Stone

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Ganz neu in dieser Geschichte?
Fang ganz vorne an:
Junge Liebe - Kapitel 1 - Teil 01

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Teil 01
Teil 02
Teil 03
Teil 04
Teil 05
Teil 06
Teil 07
Teil 08

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XIII.

„Von wem hast du dich verwamsen lassen?“, fragte Andre ungläubig.
„Nicht ‚verwamsen‘, Mann. Er hat mich überrascht und mir in die Eier getreten, die feige Ratte“, berichtigte Rene unwirsch.
Aus dem Augenwinkel blickte er seinen großen Bruder an, ob der vielleicht ein spöttisches Gesicht zog. Aber Andre schürzte nur die Lippen und dachte scheinbar nach.

„Ist groß geworden, der Bübler“, murmelte er dann. „Da sollten wir lieber Piere fragen, ob er Zeit hat.“
„Zeit? Wofür?“
„Um dabei zu helfen, die Scheiße aus dem Wichser rauszuprügeln?“, meinte Andre gedehnt und starrte seinen jüngsten Bruder an als wäre der bescheuert. „Oder wolltest du das auf dir sitzen lassen?“
„Äh…“, machte Rene. „Ich dachte, ich schnappe mir die dämliche Schlampe und…“
„Das ist auch nicht übel“, bestätigte Andre und nickte nachdenklich. „Wenn die so sehr an ihrem Macker hängt, nehmen wir uns die auch vor.“
„Wir?“
„Sicher.“

Rene verzog kurz das Gesicht. Eigentlich wollte er das Miststück am liebsten für sich, und wenn Andre und Piere sie sich vorgenommen hatten, wäre mit ihr nicht mehr so richtig viel anzufangen. Besonders der älteste Bruder war noch brutaler als früher schon, seitdem er sich einer Gang angeschlossen hatte.
Auf der anderen Seite war der Gedanke sehr verlockend, dem Scheißer von Peter Bübler eine richtige Lektion zu erteilen. Und vielleicht würden seine Brüder ihm die Kleine zuerst überlassen, während sie sich um den Moppel kümmerten.
Jedenfalls würden sie zu dritt mit ihm fertig werden. Nicht wie die Idioten am vorigen Abend, die es nicht einmal geschafft hatten, jeweils einen Arm oder ein kleines Mädchen so festzuhalten, dass es keine Probleme gab.

„Mama darf nichts davon erfahren“, brummte Andre.
„Häh? Wieso?“
„Weil sie mit der alten Bübler befreundet ist und uns die Hölle heißmacht, wenn sie Wind davon bekommt“, schnauzte der Ältere gereizt. „Oder was glaubst du, wieso der nie Prügel von mir oder Piere kassiert hat?“
„Oh“, machte Rene. „Ach deswegen…“
„Ja genau, Depp“, grunzte Andre. „Also müssen wir die Beiden irgendwo erwischen, wo es schön ruhig und abgelegen ist.“

„Und wie sollen wir rausfinden, wo die stecken?“
„Scheiße… gute Frage…“
Aber dann kam Rene ein Gedanke und er brüllte: „Patrizia!“
„Was…?“, blaffte Andre.
„Ich hab ‘ne Idee“, beschwichtigte der Jüngere. „Vertrau mir…“
Dann wandte er sich ihrer Schwester zu, die gerade im Türrahmen austauchte.


XIV.

Als Nadia langsam aus dem Schlaf hinaufdämmerte, musste sie sich den Weg beinahe erkämpfen. Fast so, als wäre sie nicht nur eingeschlafen, sondern eher in eine Art Koma gefallen.
Zwei Dinge wurden ihr während der gefühlten Ewigkeit bewusst, in der sie sich zurück in die Welt der Wachen arbeitete: Erstens war Peter nicht an ihrer Seite und zweitens…
Ahh! Schmerz!

Unwillkürlich stöhnte sie und bemerkte dadurch, dass sich ihr Hals wund und rau anfühlte. Und so trocken, als hätte sie seit zwei Tagen nichts getrunken. Addierte man das schmerzhafte Ziehen in ihrer Bauchgegend hinzu, passte das Gesamtbild irgendwie nicht zu ihren letzten, selig-befriedigten Erinnerungen.
Mühsam zwang sie ihre Augen, sich zu öffnen und starrte eine völlig unbekannte Zimmerdecke an.

Erst nach einem langen Augenblick ging ihr auf, dass sie natürlich in Peters Zimmer war und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
Die Schmerzen in ihrem Bauch, ihrer Leiste, ihren Oberschenkeln - eigentlich überall - stammten von einem Muskelkater, wie sie lange keinen mehr erlebt hatte. Aber wenn man sich erst einmal bewusst machte, woher dieser stammte, war es plötzlich ganz und gar nicht mehr so schlimm.
Der Durst brachte sie allerdings um und deswegen musste die halb volle Flasche Wasser neben dem Bett auch umgehend dran glauben.

Ein wenig atemlos ließ sie sich danach wieder in die Kissen sinken und genoss das dumpfe Ziehen ihrer Muskeln und den Geruch der Bettwäsche nach… ihm. Ihrem Ersten. Dem Mann, der sie zur Frau gemacht hatte. Auch wenn sie sich diesbezüglich nicht sonderlich anders fühlte, als zuvor.
Nein halt! Das war nicht richtig. Sie fühlte sich anders. Sie fühlte sich nicht mehr einsam. Und das war eine erhebliche Veränderung.
Glücklich ließ sie ihren Hände über ihren Körper wandern, bis sie in ihrem Schoß lagen. Vielleicht hatte sie kein Erstes Mal gebraucht, um sich als Frau zu fühlen, aber es war wie die Besiegelung ihrer Beziehung mit Peter und allein deswegen war es etwas Besonderes.

Apropos Peter…
Wo steckte er wohl? Und wieso war er nicht ähnlich erschlagen wie sie, sondern schon auf den Beinen?
Seufzend kämpfte sich Nadia in eine sitzende Position und sah sich suchend um, bis sie eines seiner T-Shirts über einer Stuhllehne entdeckte. Sie angelte danach und hielt es sich dann an die Nase. Nicht frisch gewaschen, aber auch nicht zu lange getragen. Genau richtig für ihren Geschmack.
Grinsend sinnierte sie, dass Peter von nun an immer ein paar Shirts für sie bereithalten müsste, die er ein paar Stunden angehabt hatte, während sie sich das Kleidungsstück über den Kopf zog. Es war weit und lang genug, um alles zu verdecken, was den Unmut seiner Oma erregen mochte.
Dann machte sie sich auf die Suche nach ihrem Lover.

Das Haus war still, aber als sie die Küche durchquert hatte, fand sie die Haustür offen vor. In den Tagen seit ihrer Ankunft hatte sie gelernt, dass demnach irgendjemand im Hof, im Garten oder irgendwo sonst auf dem Grundstück herumgeistern musste.
Der Umstand, dass sich in dem kleinen Örtchen niemand über eine sperrangelweit offenstehende Haustür Gedanken zu machen schien, hatte sie anfangs irritiert. Aber mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt. Es schien immer jemanden in der Nachbarschaft zu geben, der ein Auge auf die Geschehnisse hatte. Meistens irgendeine der erstaunlich häufigen Rentnerinnen, die eines der umliegenden Häuser oftmals völlig allein bewohnten.
Es war fast ein wenig anziehend, wie familiär die Dinge in dem Dorf gehandhabt wurden. Wenn man von dem ständigen Gefühl absah, unter dauernder Beobachtungen zu stehen und sich ja keinen Fehltritt erlauben zu dürfen.

Kurz streckte Nadia ihren Kopf aus der Tür und sah nach, ob jemand in Sichtweite wäre. Aber weder Peter, noch seine Oma waren zu sehen. Vermutlich waren sie irgendwo dort draußen, aber bevor sie dem nachgehen konnte, musste sie unbedingt auf die Toilette.
Statt das kleine Bad im Erdgeschoss zu benutzen, stieg sie lieber die Treppe hinauf. Das obere Bad war gemütlich, geräumig und sauber. Der kleine Verschlag mit Dusche, Klo und Wachbecken unten war vielleicht Letzteres, aber sonst wirklich nichts. Und die Toilette hatte einen Spülkasten in Kopfhöhe mit einer Kette zum Ziehen. Eine Technologie, der Nadia zutiefst misstraute, denn sie musste unzweifelhaft mindestens so alt sein, wie das Haus.

Im Obergeschoss angekommen erblickte Nadia die Oma von Peter. Sie schien damit beschäftigt, die Wanne im Bad zu schrubben und schnaufte vor Anstrengung, während sie sich tief hinab beugte.
Lächelnd trat sie näher. Sie mochte die rüstige, liebenswerte Dame nicht erst seit dem gestrigen Tag, an dem sie sich so hervorragend miteinander verstanden hatten. In gewisser Weise erinnerte Frau Bübler sie sehr an ihre eigene Großmutter. Den einzigen Menschen, dem die Neunzehnjährige in ihrem Leben wirklich vertraut hatte. Und dem einzigen Menschen, der ihr Vertrauen nie enttäuschte.
Fröhlich betrat sie den Raum, setzte zu einer Begrüßung an und erstarrte, als sich eine eisige Klaue um ihr Herz schloss...

Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen erblickte sie die rötlichen Schlieren im Inneren der Badewanne und identifizierte sie als das, was sie waren: Rückstände von Blut.
Zischend sog sie die Luft ein, als die Frage nach dem Aufenthaltsort von Peter plötzlich eine neue, drängende Wichtigkeit erlangte. Und als Frau Bübler zusammenzuckte, sich erschrocken aufrichtete und ihr zuwandte, setzte Nadias Herzschlag für einige Augenblicke völlig aus.
Das Schnaufen war ganz offensichtlich eher ein Schniefen gewesen, denn über die Wangen der alten Dame liefen Tränenströme. Ihre Augen sahen aus, als weinte sie schon eine ganze Weile.
Blut in der Wanne und Peters Abwesenheit wollten noch kein verständliches Bild in ihrem Kopf ergeben, aber sie fühlte, dass es einen Zusammenhang gab.

„Peter?“, wollte sie fragen, doch es hörte sich eher an wie ein unartikuliertes Wimmern.
Trotzdem schien ihr Gegenüber zu verstehen und trat einen Schritt auf sie zu. Mit einer sachten Geste legte sie die Hand an Nadias Wange und blickte ihr in die Augen. Trotz ihrer Tränen hatte sie sich offenbar sehr gut unter Kontrolle.
„Peter geht es gut.“

Keuchend rang Nadia nach Atem, als ihr bewusst wurde, dass sie die Luft angehalten hatte. Ihr Herzschlag setzte wieder ein und beinahe hätte sie vor Erleichterung angefangen zu weinen.
Dann, als der erste Schreck sich legte, verarbeitete ihr Gehirn die Hinweise erneut. Unwillkürlich verengten sich ihre Augen, als sie der eigentlich einzigen, anderen Möglichkeit auf die Spur kam, woher das Blut stammen mochte.
Eine Badewanne voller warmem Wasser trat vor ihr geistiges Auge und darin sah sie einen Körper liegen, aus dessen Handgelenken Blut ins Wasser sickerte. Wie in einem Film. Oder wie in den Gedankenspielen über Selbstmord, die Tanja und sie manchmal gespielt hatten, wenn sie beide in besonders melancholischer Stimmung waren.
Oh Tanja… Warum…?
Doch sofort wusste sie die Antwort und jeder Ansatz von Mitgefühl erstarb.
Das… Miststück!

All diese Regungen entgingen der alten Dame nicht, die ihr forschend ins Gesicht blickte. Es war beinahe als könne sie Nadias Gedanken lesen und ihrem Weg zur Lösung des Rätsels folgen. Schließlich nickte sie.
„Tanja ist im Krankenhaus“, erklärte sie leise. „Sie wird es überleben.“
Beinahe hätte Nadia darauf impulsiv geantwortet. Sie konnte sich gerade noch so zurückhalten. Dennoch entging es der Aufmerksamkeit von Frau Bübler nicht.
„Urteile nicht vorschnell, Kind“, sagte die daraufhin ernst. „Ich glaube nicht, dass sie es tat, um jemanden zu treffen.“

Überrascht blickte Nadia sie an, aber sie konnte ihren Zorn nicht unterdrücken.
„Ich kenne Tanja, Frau Bübler. Und ich glaube, ich kenne sie besser als sie es tun.“ Es kam ihr härter über die Lippen, als sie es beabsichtigt hatte, aber ihr Gegenüber schien es ihr nicht übel zu nehmen.
„Das mag sein, Liebes“, lautete die sanfte Erwiderung. „Aber ich kenne den Unterschied zwischen einem halbherzigen Versuch, sich die Pulsadern aufzuschneiden und einem ernsthaften Selbstmordversuch.“

Es war die Art, wie der Blick der alten Dame bei ihren Worten abirrte und in die Vergangenheit zu wandern schien, der Nadia aufrüttelte. Irgendetwas an ihren Worten und der Art, wie sie es sagte, war so greifbar, dass der Blondine ein kalter Schauer über den Rücken lief. So greifbar, dass sich der leise Zweifel auflöste, den sie verspüren wollte.
„Sie meinen…?“
„Wäre ich auch nur eine halbe Stunde später gekommen, wäre es zu spät gewesen“, bestätigte Frau Bübler. „Sie hat sich beide Adern geöffnet und war kaum noch bei Bewusstsein, als ich sie fand. Und wäre nicht ein Krankenwagen auf dem Rückweg von einem Einsatz in der Nähe gewesen…“

Sie brachte den Satz nicht zu Ende, aber Nadia verstand auch so. Tanja hatte also ernsthaft versucht, sich umzubringen.
„Peter?“, fragte sie leise, nachdem sie in Gedanken den nächsten Schritt gemacht hatte.
„Er ist draußen und hackt Holz. Das tut er öfter, wenn er wütend ist. Und wenn er sich… Vorwürfe macht.“
„Vorwürfe?“, fragte Nadia, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
„Er gibt sich die Schuld. Und gleichzeitig ist er wütend auf Tanja, weil sie es getan hat. Zwischen den beiden waren die Dinge…“
Die alte Frau stockte und suchte Nadias Blick.

Ohne ein weiteres Wort verständigten sie sich auf eine Art und Weise, wie es sie nur unter Eingeweihten geben konnte. Frau Bübler wusste etwas über die Dinge, die zwischen Tanja und Peter vorgefallen waren. Nicht alles vermutlich, aber genug. Und Nadia wusste zumindest genug, um sich ein Bild machen zu können. Vielleicht würden sie später einmal darüber sprechen, aber für den Moment waren weitere Worte unnötig.
„Ich muss zu ihm, Frau Bübler“, erklärte sie.
„Hinter der großen, ehemaligen Scheune, Kind.“

Ohne zu zögern, lief Nadia daraufhin los. Die Treppe hinab, in den Hof und von dort auf den hinteren Teil des Grundstücks zu. Sie hatte keine Schuhe an und um das große, zweite Gebäude herum, das halb ausgebaut zum Wohnhaus wie ein Rohbau leer stand, wucherten Brennnesseln und der Boden war voller kleiner, spitzer Steine. Aber es spielte keine Rolle.
Peter durfte diese Sache nicht in sich hinein fressen. Er übernahm ohnehin schon für alle möglichen Dinge die Verantwortung. Er durfte sich nicht in dies hineinsteigern. Sicherlich war es schrecklich, dass Tanja…
Ihr Gedankengang kam ins Stocken und verblüfft realisierte sie, dass es sich nicht schrecklich anfühlte. Nicht einmal wirklich erschütternd.

Tanja war so etwas wie ihre Freundin gewesen. Nicht eine Freundin, sondern die Frau, mit der sie neben vielen ihrer Gedanken auch das Bett geteilt hatte. Die sie näher an sich herangelassen hatte, als beinahe jeden anderen Menschen in ihrem Leben.
Aber sie hatte auch immer einen Sicherheitsabstand gewahrt. Sie hatte gewusst, was für ein hinterhältiger und berechnender Mensch Tanja war. Sie hatte deren Ähnlichkeit zu ihr selbst sofort erkannt.
Und nun stellte sie fest, wie wenig es für sie eine Rolle spielte, ob es Tanja gut ging. Es war ihr sogar egal, ob die Rothaarige überleben würde. Nur eines war von Bedeutung: Welche Auswirkungen es auf Peter hatte.
Und das fühlte sich nicht einmal erschreckend an, sondern einfach nur richtig.

Bereits auf halbem Weg konnte sie die Schläge der Axt und das Fallen der Holzscheite hören. Die Laute wiesen ihr den Weg. Das Unkraut hielt sie nicht auf, aber die kleinen Steine unter ihren nackten Füßen verlangsamten sie soweit, dass sie in beinahe gemäßigtem Schritt um die Ecke bog. Und wieder blieb sie wie vom Donner gerührt stehen.

Es war Nachmittag und es war wieder sommerlich heiß, wie ihr mit einem Mal auffiel, als sie die Szenerie vor sich betrachtete. Peter stand mit bloßem Oberkörper da und hatte die Axt hoch erhoben. Überall um ihn herum lagen Scheite als stumme Zeugen seiner Frustration. Aber das war es nicht, was sie zum Stehen gebracht hatte.
Es war Peter selbst, dessen Haut vor Schweiß im Sonnenlicht glänzte und dessen Muskeln sich überdeutlich abzeichneten, als der die Arme hinabsausen ließ und ein weiteres Holzstück zerteilte.
Für einen unendlich langen Moment war ihr Kopf wie leer gefegt, als sie ihren Freund beobachtete. Er bückte sich geschmeidig und stellte einen der Scheite wieder auf den Hackklotz, um ihn noch einmal zu halbieren. Und einfach alles an ihm war… männlich.

Wie losgelöst realisierte Nadia, dass sie ihre Lippen befeuchtete und sich dann auf die Unterlippe biss. Sie konnte einfach nicht anders. Das war ihr Freund und hätte man ihm Arnold zur Seite gestellt, wie er in Conan ausgesehen hatte, hätte sie den nicht einmal bemerkt.
Ganz langsam trat sie näher und bemerkte, dass Peter einen Walkman trug. Er sah sie nicht kommen und konnte sie nicht hören. Also legte sie ihm die Hand an die Schulter, als er gerade wieder ausholen wollte. Und noch während er leicht zusammenzuckte, trat sie schon näher und genoss das Gefühl, wie ihre Finger durch die Feuchtigkeit auf seiner Haut glitten. Sie musste sich einfach hinter ihn stellen und die Arme um ihn legen.
Er roch nach ehrlichem Schweiß und Holz und ganz viel Peter - ein Geruch, von dem sie langsam glaubte, dass sie ihn unter hundert anderen erkennen würde. Am liebsten hätte sie sich das Shirt vom Leib gerissen, um ihn überall direkt auf ihrer Haut zu spüren.

Ihre Hände auf seinem Bauch und seiner Brust nahmen seinen leicht beschleunigten Puls und die angestrengten Atemzüge wahr. Und sie spürte die Spannung in seinem Körper und seinen Muskeln.
Für einen langen Moment schien er darum zu kämpfen, die Anspannung aufrechtzuerhalten. Doch dann sackte er ein klein wenig zusammen und atmete langsam aus, während er sich die Ohrstöpsel des Walkman am Kabel aus den Ohren zog.
„Ich bin völlig verschwitzt“, protestierte er schwach.
Anstelle einer Antwort küsste sie seinen Rücken und leckte sich dann unwillkürlich die salzige Feuchtigkeit von den Lippen. Der Geschmack ließ sie erschauern.
Hätte jemand ihr nur Wochen zuvor erzählt, dass sie einmal den Wunsch verspüren würde, sich an einem völlig verschwitzten Holzfäller zu reiben, hätte sie vermutlich zwischen Ekel und Belustigung geschwankt. Mit einer deutlichen Tendenz zu Ersterem. Doch an Peter war nichts widerlich. An ihm war einfach alles anziehend.

„Dreh dich um“, raunte sie schließlich. Und er folgte der Anweisung.
„Setz dich“, wies sie ihn dann an.
Wieder zögerte er nicht, sondern ließ sich auf dem massiven Hackblock nieder. Dann blickte er zu ihr auf und sie konnte an seinem Gesicht sehen, dass er überrascht war, sie barfuß, mit nackten Beinen und in einem seiner Shirts vor sich zu sehen.
Lächelnd erwiderte sie seinen Blick, der voller unterschiedlicher Regungen, Gefühle und Gedanken zu sein schien. Dann griff sie den Saum ihres einzigen Kleidungsstückes und zog es über den Kopf. Und dabei wäre es ihr auch egal gewesen, wenn sie weniger gut vor Blicken abgeschirmt gewesen wären, als an dieser Stelle des Grundstücks.

Zufrieden beobachtete sie, wie Peters Augen groß wurden und er es beim besten Willen nicht schaffte, sich ihrem Anblick zu entziehen. Zumindest für einen kurzen Moment traten auch für ihn alle anderen Gedanken in den Hintergrund.
Als sich Nadia dann auf seinen Schoß gleiten ließ, legte er ihr die Arme um den Rücken und wehrte sich nicht dagegen, dass sie sich so eng wie möglich an ihn schmiegte. Zufrieden ließ sie ihre Hände an seinem Rücken hinaufgleiten, bis sie seinen nassen Schopf erreichten. Dann presste sie ihn an sich.

Eine Weile lang genossen sie beide auf diese Weise die Nähe des anderen, bevor Nadia ansetzte. So gerne sie es auch einfach vergessen hätte, es würde ihn nicht einfach so loslassen. Und daran konnte auch ihr Körper nichts ändern.
„Es ist nicht deine Schuld“, wisperte sie in sein Ohr. Unglücklich spürte sie, wie er sich wieder versteifte.
„Früher oder später musste das passieren, denke ich“, fuhr sie fort, bevor er etwas erwidern konnte. „Tanja ist eine ziemlich kaputte Person, weißt du…“
Sie fühlte, wie er ein wenig zitterte vor Anspannung, aber er stieß sie nicht fort, sondern schien seine Umarmung eher noch zu verstärken.
„Manchmal hat sie behauptet, vergewaltigt worden zu sein. Zuletzt ja angeblich von dir. Aber ich glaube, dass da wirklich etwas passiert ist…
Sie ist noch verkorkster als ich. Und ich glaube, dass sie irgendwie dir dafür die Verantwortung gegeben hat, weil sie sich vor ihrer eigenen Schuld drücken wollte. Weil sie so ist. Immer auf der Suche nach einem anderen Schuldigen.“

„Ich habe sie zurückgewiesen“, antwortete er leise. „Als wir damals angefangen haben, miteinander zu experimentieren, war Tanja Feuer und Flamme. Aber eines Tages hat Oma mich beiseite genommen und mir aus heiterem Himmel erklärt, was dabei herauskäme, wenn es Blutsverwandte zu weit treiben.
Sie hat mir gehörig Angst damit gemacht. Aber noch viel schlimmer war, dass sie es wusste. Also habe ich dieses… Spiel zwischen Tanja und mir beendet.“
„Und danach hat sie angefangen, dich fertigzumachen“, vermutete Nadia. Sie spürte sein Nicken.
„Und es wurde immer schlimmer. Aber ich… ich dachte immer…“
„Du dachtest immer, dass sie ein Recht dazu hätte. Weil du es beendet hast?“
Wieder nickte er.

Sie löste sich weit genug von ihm, um sein Gesicht zu sehen und in seine Augen blicken zu können.
„Aber das ist nicht wahr“, stellte sie fest. „Tanja hatte niemals Besitzrechte dir gegenüber, auch wenn sie das vielleicht anders sehen mag. Du gehörst nur dir.“
Nur mir?“, fragte er sanft.
Nadia war erstaunt, wie schnell ihr Pulsschlag von normal auf rasend sprang, als sie in seinen Augen sah, wie er die Betonung meinte. Ein piepsiges Geräusch entschlüpfte ihrer Kehle.
„Ich hatte gehofft…“, setzte er noch nach, wurde aber unterbrochen, als sie ihn stürmisch küsste.
Für einen langen Moment verlor alles andere an Bedeutung, als sie einfach nicht genug davon bekommen konnte, seine Zunge mit ihrer zu jagen, bis ihr die Luft knapp wurde.

„Also gut“, keuchte sie dann atemlos. „Tatsächlich gehörst du mir und ich werde dich nicht wieder hergeben. Aber das ist etwas anderes!“
„Ist es“, bestätigte er bekräftigend nickend. „Weil ich dir gehören will.“
„Hör auf damit, oder ich vernasche dich gleich hier an Ort und Stelle.“
„Ich würde ja um Gnade flehen, aber eigentlich will ich das gar nicht…“
Sie grinste und er erwiderte es. Aber dann wurde er wieder ernst.

„Ich kann trotzdem nicht aus meiner Haut, Nadia“, erklärte er. „Tanja ist mir nicht gleichgültig, auch wenn ich vielleicht nicht empfinde, was sie gerne hätte.“
„Trotzdem solltest du dir keine Vorwürfe machen.“
„Eigentlich mache ich eher ihr Vorwürfe“, gab er überraschend zurück. „Es ist nicht fair, dass sie auf diese Weise versucht, einen Keil zwischen uns zu treiben.“
Kurz war Nadia versucht, ihm zu erzählen, was seine Oma über den Selbstmordversuch dachte, aber sie tat es nicht. Nicht jetzt. Nicht, während er sich vom Griff seiner Cousine befreite.
„Ich werde ein ernstes Wörtchen mit ihr reden müssen, wenn sie wieder halbwegs auf dem Damm ist.“

Er sagte es so entschieden und entschlossen, dass sie eine Gänsehaut bekam. Vielleicht musste sie sich eingestehen, dass sie Tanja irgendwie einen gewissen Dank schuldete, weil die den Stahl, der sich unter seiner weichen Schale verbarg, im Feuer ihres Hasses mitgeschmiedet hatte. Woher auch immer ihr diese Metapher auch zugeflogen sein mochte.
„Und bis dahin…?“, fragte sie vorsichtig.
„Bis dahin werde ich bestimmt nicht an Tanja denken“, sagte er hart. „Das könnte der so passen.“
Schnell nahm sie ihn wieder fest in den Arm, damit er ihr Lächeln nicht sah und sich fragte, was es zu bedeuten hatte. Sicherlich war es nicht sonderlich nett, aber Nadia war sehr zufrieden damit, welche Wendung diese Sache nahm.
Natürlich würde Peter trotzdem immer wieder über seine Cousine nachdenken. Er war jemand, der vor seinem eigenen Verantwortungsgefühl nicht davonlief. Aber ein wenig Zorn würde ihm dabei helfen, ein für alle Mal aus dem Schatten des tyrannischen Rotschopfes zu treten. Und das war ihr mehr als recht.

„Ist dir eigentlich klar, wie unglaublich sexy du bist, wenn du Holz hackst?“, fragte sie nach einer kurzen Weile der Stille. Und sie sagte es nicht nur, um das Thema Tanja hinter sich zu lassen, sondern weil es ganz einfach die Wahrheit war.
„Sexy ist es, wenn ein steiler Zahn wie du nur in einem T-Shirt über den Hof gelaufen kommt, um sich das dann vor meinen Augen in aller Öffentlichkeit auszuziehen“, gab er zurück.
„Steiler was?“, fragte sie verblüfft. „Wo hast du das denn her?“
„Ähh… Locke und Tom Bücher?“
„Gott! Wir müssen wirklich dringend an deiner Lektüre arbeiten.“
„Wieso?“, brummelte er leise. „Ist ja schließlich nicht Hanni und Nanni oder sowas…“
„Lies lieber Pornoheftchen“, rutschte es ihr heraus, als sie über seine Worte lächelte.
„Wie jetzt?“
„Na ‚geile Schlampe‘ und ‚geiles, kleines Drecksstück‘ gefallen mir besser als ‚steiler Zahn‘.“

„Was hältst du davon, wenn ich duschen gehe, bevor wir das vertiefen?“, fragte er nicht ohne ein ganz leichtes Vibrieren in seiner Stimme.
„Wie wäre es, wenn wir das beim Duschen vertiefen?“, schlug sie stattdessen vor.
„Oma bringt uns beide um“, widersprach er. Und noch bevor sie etwas darauf erwidern konnte, fuhr er fort: „Aber mein Onkel hat seine Junggesellenbude hinten im Haus und die hat auch ein Bad. Und da er schon seit fast zwei Jahren praktisch bei seiner Freundin wohnt…“
„Hätte er bestimmt nicht dagegen, sein Bad zwei Bedürftigen auszuleihen“, vervollständigte sie den Satz für ihn und stand bereits auf. „Komm, Großer.“
Mit Peter an der Hand machte sie sich auf den Weg und grinste über seinen offenen Mund, als sie das Shirt links liegen ließ. Allein die Art, wie sein Blick an ihrem Körper festklebte, war das kleine Risiko wert, von einer aufmerksamen Nachbarin im Evakostüm gesehen zu werden.

Auf dem Weg ging ihr durch den Kopf, dass sie durch Peter vermutlich noch ganz andere Grenzen überschreiten würde. Schamhaft war sie nie wirklich gewesen, aber eigentlich hatte sie ihre Reize immer eher gezielt eingesetzt. Und ganz nackt in aller Öffentlichkeit hätte sie sich ohne Zweifel verletzbar gefühlt. Aber mit ihm an ihrer Seite fühlte sich Nadia völlig sicher.
Und frei… Nackt für Peter zu sein vermittelte ihr ein Gefühl der Freiheit, dass sie beinahe verstehen ließ, was den Reiz an FKK für Nudisten ausmachte.
Statt sich also über den hinteren Teil des Hofes zu schleichen, ging sie langsam und hielt den Kopf erhoben. Beinahe wünschte sie sich, dass jemand sie von der Straße aus dabei bemerken würde. Allerdings galt ihre Aufmerksamkeit mehr dem gelegentlich stolpernden Mann, der ohne ihre Führung wahrscheinlich einfach stehen geblieben wäre und ihr hinterher gestarrt hätte.

Der hintere Teil des Hauses war eine Art Anbau, den man vermutlich nachträglich an das ursprüngliche Gebäude gesetzt hatte. Es gab nur ein Stockwerk mit fünf Räumen und einer geschlossenen Verbindungstür zum Haupthaus von der kleinen, aber komplett eingerichteten Küche aus.
Die Wohnung war vollständig eingerichtet und hatte einen Stil, der Nadia vage vertraut vorkam. Es war wirklich eine Junggesellenbude. Und es war das Domizil eines Aufreißers.
Alles war ordentlich und sauber. Vermutlich sah Frau Bübler gelegentlich nach dem Rechten. Aber der Einrichtung fehlte eindeutig jede Form von weiblicher Hand. Die Dekoration war typisch männlich, einschließlich der großformatigen Bilder von nackten Frauen und diverser Dekorationswaffen an den Wänden.

Das Bad war von einem Schlafzimmer aus erreichbar, dass ohne Probleme auch in einen Pornofilm gepasst hätte. Ein überdimensioniertes Bett mit schwarz-roter Satin-Bettwäsche war das dominierende Möbelstück darin. Unwillkürlich fragte Nadia sich, welche Meinung Frau Bübler wohl zu dieser eindeutigen Frauenfalle von Peters Onkel - also ihrem Sohn - haben mochte.
Aber trotz der Belustigung, die dieser Gedanke und die klischeeüberladene Wohnung in ihr hervorriefen, stellte sie sich vor, wie schön es wäre, einen solchen Ort für sich und Peter zur Verfügung zu haben. Besser als sein kleines, enges Zimmer mit dem schmalen Bett wäre es allemal.
Und das Badezimmer war ein Traum. Nicht so urig und behaglich wie das große Bad im Haupthaus, aber sehr geräumig und mit einer schicken Badewanne und einer großen Dusche ausgestattet.
Dann fiel ihr Blick auf etwas am Waschbecken und sofort manifestierte sich eine Idee in ihrem Kopf.

„Ausziehen“, ordnete sie an und wandte sich Peter zu.
Er zögerte nicht mehr, wie er es noch am gestrigen Tag immer wieder getan hatte. Ein Gefühl der Wärme durchströmte sie, als ihr wieder einmal bewusst wurde, wie nahe sie sich schon nach so kurzer Zeit standen. Und dann wurde aus der Wärme eine örtlich konzentrierte Hitze, als er die Hose öffnete und herausstieg. Er hatte keine Unterhose an!
„Wenn ich gewusst hätte, wie wenig zwischen uns stand, hätte ich das ausgenutzt“, sagte sie zu seinem halb erigierten… Freudenspender. Ja. Das Wort war sehr passend.
„Ich hatte es ziemlich eilig, als Oma mich heute Morgen gerufen hat“, entschuldigte er sich.
„Wenn es eine ähnliche Wirkung auf dich hat zu wissen, dass ich nicht drunter trage, dann…“ Nur mit viel Willensstärke schaffte sie es, sich vom Anblick seines immer steifer werdenden Schwanzes loszureißen. „Dann trage ich nie wieder Unterwäsche.“
„Welche… ähm… welche Wirkung hat es denn auf dich?“, fragte er nach kurzem Zögern.
„Es macht mich total wuschig.“
„Ja. Das trifft‘s…“, meinte er.

Nadia grinste darüber, wie forsch er sie anblickte.
„Ab unter die Dusche“, kommandierte sie, bevor sie es nicht mehr aushalten würde und damit ihren Plan in Gefahr brachte.
Folgsam drehte er das Wasser auf, probierte so lange herum, bis er mit der Temperatur zufrieden war, und trat dann unter den Wasserstrahl. Und wieder erwischte sie sich dabei, wie sie sich über die Lippen leckte, während sie ihn beobachtete.
„Mach die Augen zu.“
„Äh… Wieso?“, fragte er verblüfft.
„Vertraust du mir?“
„Unbedingt, aber…“
„Dann mach die Augen zu und öffne sie nicht, bevor ich es dir erlaube.“ Sicherheitshalber schenkte sie ihm einen betont unschuldigen und reizvollen Augenaufschlag. „Okay?“

Er zögerte kurz, seufzte dann aber und schloss die Augen. Kurz zweifelte sie daran, ob sie ihre Idee tatsächlich weiterverfolgen sollte. Er vertraute ihr wirklich und der Gedanke daran, seine Enttäuschung zu sehen, wenn sie dieses Vertrauen missbrauchte, war ihr unerträglich.
Aber andererseits war sie sich eigentlich sicher, dass er zustimmen würde, wenn sie ihn fragte. Nur wäre dann der Überraschungseffekt verloren.
„Seif dich ein. Ich brauche einen Augenblick.“
Er brummelte leise vor sich hin, tastete dann aber nach dem Duschgel und schäumte sich sorgfältig ein. Währenddessen wandte sie sich den Utensilien zu, die sie entdeckt hatte, und bereitete alles vor.

Als sie sich vor ihm auf den Knien niederließ, hatte sie seine Erektion direkt vor dem Gesicht und konnte nicht widerstehen, ihm einen Kuss darauf zu geben. Er erschauerte und verharrte bewegungslos.
„Egal was du spürst: Du darfst nicht die Augen öffnen. Versprochen?“, bat sie sanft.
„Ich vertraue dir“, erwiderte er ein wenig zweifelnd.
Als sie den vorbereiteten Schaum großzügig auf seinem Schamhaar verteilte, blieb er starr und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen wusste er nicht so recht, was sie mit ihm machte. Sie versuchte, es zu ignorieren und konzentrierte sich auf die Aufgabe, die vor ihr lag.

Schon als ihr Blick auf den Rasierer gefallen war, hatte sie erkannt, dass es sich um eines der klassischen Geräte handelte, bei denen eine richtige Rasierklinge eingesetzt wurde. Sie hatte sich einmal mit so einem Gerät selbst rasiert und sich dabei mehrfach geschnitten. Aber wenn man sich daran gewöhnt hatte, war es viel besser, als die üblichen, moderneren Modelle.
Und man konnte damit sehr viel besser einem derartigen Gebüsch zu Leibe rücken, wie es sich zwischen Peters Beinen befand. Bei einem normalen Nassrasierer wäre das sehr viel schwieriger geworden.
Als Nadia die Klinge ansetzte und den ersten Streifen Haut freilegte, zischte Peter überrascht und wäre beinahe weggezuckt. Sie hielt inne, aber er beruhigte sich sofort wieder, stützte sich gegen die Wand ab und ließ die Augen geschlossen. Womit hatte sie sich wohl so viel Vertrauen verdient, fragte sie sich flüchtig.

Der größte Teil der Rasur verlief danach problemlos und Nadia gab sich größte Mühe ganz vorsichtig zu Werk zu gehen. Sein Schambereich war schnell frei von Haaren und fühlte sich wunderbar glatt an. Und auch an seinem Schaft entfernte sie die vereinzelten Härchen ohne Probleme.
Unter seinen Hoden und an seinem Damm konnt sie ebenfalls ohne Schwierigkeiten arbeiten, als er auf ihren Anweisungen hin seine Haltung veränderte. Doch eine Hürde blieb am Ende übrig und bereitete ihr einige Sorgen. Es war sein Hodensack, der sich bei näherer Betrachtung so gar nicht für eine Rasur eignen wollte.
Überraschenderweise machte ihr ausgerechnet ihr Opfer einen hilfreichen Vorschlag. Er hatte sich mittlerweile leicht zusammenreimen können, was sie mit ihm anstellte. Oder er hatte gelinst.

„Wenn du sie ganz vorsichtig anfasst, kannst du daran ziehen“, sagte er ganz ruhig, als sie zögerte fortzufahren.
„Tut dir das nicht weh?“
„Nicht wenn du es ganz vorsichtig und langsam machst. Ungefähr so“, erklärte er und fasste mit einer Hand seine Hoden. Dann zog er daran so fest, wie sie es niemals gewagt hätte. Schließlich hieß es doch immer, dass die kleinen Dinger so fürchterlich empfindlich wären.
„Achte dabei auf das, was sich anfühlt als wären es.. äh… wie kleine Bänder. Das ist ziemlich empfindlich“, fügte er noch hinzu.
Vorsichtig folgte Nadia seinem Beispiel und experimentierte ein wenig herum. Er verzog zwar ein oder zwei Mal kurz das Gesicht, entzog sich ich aber nicht. Und so konnte sie schließlich die Haare von der gespannten Haut entfernen und am Ende vorsichtig über die beiden kleinen Kugeln rasieren. Es war vielleicht nicht absolut perfekt, aber insgesamt war sie hochzufrieden.

„Spül dich ab und schau, was ich gemacht habe“, forderte sie ihn auf.
Er öffnete die Augen und blickte an sich hinab. Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte er seine neue ‚Glatze‘ und grinste dann.
„Er sieht größer aus.“
„Männer!“, stöhnte sie. „Ist das alles, was dir einfällt?“
„Er ist noch dran.“
„Natürlich ist er das. Ich beraube mich doch nicht meines Freudenspenders.“
Mt diesen Worten wollte sie sich vorbeugen und ausprobieren, wie es sich ohne Haare anfühlen würde. Aber Peter wich ihr aus.
„Was…?“
„Nach all der Spielerei daran bin ich ziemlich nah dran“, erklärte er. „Komm lieber erstmal unter die Dusche und lass dich von mir einseifen.“
Einen Augenblick lang war Nadia versucht, über seinen Einwand hinwegzugehen, aber er beugte sich vor und zog sie zu sich. Und von ihm in den Armen gehalten zu werden war eindeutig besser, als auf dem kalten, harten Boden zu knien.

Als sie seine Hände dann auf ihrem Körper spürte, bemerkte sie schnell, wie erregt sie selbst bereits war. Und zwar trotz der Konzentration, mit der sie sich der Rasur gewidmet hatte.
Er verteilte das Duschgel großzügig auf ihrer Haut und ließ sich alle Zeit der Welt damit, jeden Quadratzentimeter ihrer Haut und ihre Haare einzuseifen. Als er sich dann endlich ihren Brüsten widmete, ließ sie ihren Rücken gegen die kalten Fliesen sinken und genoss das Kontrastprogramm. Sie versuchte gar nicht erst, das tiefe Seufzen zu unterdrücken, das ihrer Kehle entrann.
Peters Hände waren so groß, dass er ihre Brüste damit fast bedecken konnte. Und es fühlte sich unwahrscheinlich gut an, wenn er das tat. Sie spürte die Kraft seines Griffes, obwohl er sie sehr sanft berührte. Und dann fühlte sie, wie er an ihre Rippen unter der Brust griff, ihren Oberkörper fest packte und mit den Daumen über ihre Nippel fuhr, die schon längst sehnsüchtig die Berührung erwarteten.
Das laute Stöhnen, das daraufhin ertönte, kam aus ihrem Mund, wie sie halb überrascht feststellte.

Es war ein wundervolles Gefühl, sich einfach nur seinen Händen hinzugeben und die Kontrolle völlig fahren zu lassen. Ein noch immer fremdes, Angst einflößendes und wundervolles Gefühl.
Als Peter langsam eine seiner Hände zu ihrem Hals hinaufwandern ließ, während die andere sich ihren Weg zwischen ihre Schenkel suchte, fühlte sich Nadia wie ein Stück Fleisch. Ein heißes, zitterndes, stöhnendes und williges Stück Fleisch.
Sie biss sich fest auf die Unterlippe, um nicht laut zu schreien, als seine Finger über ihre Perle rieben und ihre Schamlippen teilten. Aber unglücklicherweise hielten sie sich dort nicht lange genug auf, um ihr Werk zu vollbringen, sondern wanderten weiter zwischen ihre Beine. Bis er schließlich auch den letzten Winkel ihres Körpers eingeseift hatte, während er mit der anderen Hand ihren Nacken festhielt und ihr so zeigte, dass er nun das Sagen hatte.

„Nimm mich, Baby“, hörte sie sich selbst wimmern, als wollte sie gegen den Kontrollverlust aufbegehren, indem sie selbst wieder das Zepter in die Hand nahm. Aber das war nicht so. Es war ganz anders: „Zeig mir, wem ich gehöre…“
Ohne die Augen zu öffnen oder überhaupt irgendetwas zu tun, ließ sie sich an ihrer Taille anheben und an der Wand hinaufschieben, bis sie die Beine um seine Hüfte schlingen konnte. Dann ließ er seine Hände hinabgleiten, bis sie ihre Pobacken fest im Griff hatten, und fühlte, wie sich seine dicke Eichel ihren Weg in ihr Inneres bahnte.
„Jaaa…“, hauchte sie glücklich und genoss das Gefühl, wie er sie Schritt für Schritt immer mehr ausfüllte ebenso, wie den exquisiten Schmerz, den die leichte Wundheit nach der gestrigen Nacht verursachte.

Peter schnaufte angestrengt und Nadia wusste, dass er sich nur mit Mühe beherrschen konnte, doch er drang unvermindert langsam in sie ein, bis sich die blanke Haut seines Schambereiches auf ihren presste. Bis er sie wieder ganz genau so ausfüllte, als wäre er für sie gegossen worden.
Dann griff er ein wenig nach, weil seine Hände abzurutschen drohten und plötzlich spürte sie eine seiner Fingerspitzen an ihren Hintereingang. Überrascht riss sie die Augen auf, doch Peter bemerkte es gar nicht. Seine Stirn war vor Konzentration gefurcht und seine Augen waren geschlossen. Wenn das Gefühl für ihn ähnlich intensiv war, wie für sie, dann konnte sie ihm das gut nachempfinden.

Wieder griff er nach und seine Fingerkuppe drang, geschmiert vom Schaum des Duschgels, dem Wasser, ihrer Feuchtigkeit oder einer Mischung aus alledem, ein kleines Stück weit ein.
Es tat nicht weh. Im Gegenteil. Aber es war auch anders als die Experimente in dieser Hinsicht, die sie selbst oder mit Tanjas Hilfe unternommen hatte. Es war… eben Peter. Und er durfte sich das und alles andere erlauben, was ihm einfiel. Selbst wenn er es gar nicht bemerkte.
„Ja, Baby“, hauchte sie lockend. „Steck mir den Finger in den Arsch…“
Natürlich riss er daraufhin die Augen auf und starrte sie verblüfft an, aber der Schreck ließ ihn auch ein weiteres Mal zupacken und noch ein wenig weiter vordringen. Nadia verdrehte die Augen und schloss sie dann lieber wieder, während sie ohne irgendwelche Hemmungen stöhnte.
„Genau so, Baby!“, feuerte sie ihn noch weiter an, ohne sich ihrer Worte richtig bewusst zu werden. „Fick mich! Lass dich gehen…“

Sie hörte sein erregtes Grunzen und fühlte dann, wie sich sein Schwanz zurückzog und sein Finger gleichzeitig vortastete, bis er vielleicht schon mit dem ersten Glied in ihrem Hintern steckte. Und dann verlor das, zusammen mit allem anderen auf der Welt, an Bedeutung, als er schwungvoll wieder vorstieß.
Nadia wusste, dass der wimmernde Schrei, der daraufhin ertönte, von ihr stammte. Und sie spürte auch, wie Peters Schwanz nun in schnellem Takt in ihr ein- und ausfuhr. Oder wie sich ihre Rosette um seinen Finger krampfte. Oder wie ihre Fingernägel sich in seine Oberarme gruben. Und natürlich fühlte sie die Wellen funkelnder Elektrizität, die von ihrem Zentrum aus in ihre Glieder schossen, als Stoß um Stoß von seinem Sperma in ihren Körper gepumpt wurde.
Aber sie hatte keine Ahnung, was davon in welcher Reihenfolge passierte oder wie lange es jeweils dauerte. Und das war auch völlig gleichgültig.
Überraschend war lediglich, wie sehr sie nach Atem ringen musste, als die Zeit wieder ihren normalen Verlauf nahm. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie überhaupt aus der Puste geraten war. Oder dass sie sich so sehr verausgabt hatte, dass all ihre Muskeln zu zittern schienen.

Dankbar stellte sie fest, dass Peter sie unvermindert festhielt, auch wenn sein Kopf neben ihrem an der Wand lehnte und er selbst keuchend nach Atem rang. Noch immer fühlte sie, wie er in ihr pulsierte. Jeden einzelnen Herzschlag nahm sie ebenso deutlich wahr, wie die kleinen Bewegungen seines Fingers in ihrem Hintern, wenn seine Hand sich rührte.
Doch dann bemerkte sie, wie sehr auch seine Muskeln zitterten, und bedeutete ihm, sie abzusetzen, indem sie ihren Beine von seiner Hüfte löste. Auch wenn sie es sofort bedauerte, als sich Finger und langsam schlaffer werdender Schwanz gleichzeitig aus ihr zurückzogen.

„Ich liebe dich, Baby“, murmelte sie glücklich, während sie die Arme um ihn schloss und sie beide wieder unter den warmen Wasserstrahl brachte.


Nachbemerkung:

Ausnahmslos alle Betaleser haben mich darauf hingewiesen, dass die Namen in Kapitel dreizehn diverse Schreibfehler enthalten. Und ich kann darauf nur antworten: Ihr kennt die Eltern der Brüder nicht, sonst würdet ihr euch nicht wundern…

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Dienstag, 8. Mai 2012

Soulmates - Teil 04

Soulmates
Eine Westside-Story - irgendwie...
© 2012-2015 Coyote/Kojote/Mike Stone


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Teil 01
Teil 02
Teil 03
Teil 04
Teil 05
Teil 06
Teil 07

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IV. - Dangerous

Hold on tight, you know she's a little bit dangerous.
 She's got what it takes to make ends meet.
 The eyes of a lover that hit like heat.

Roxette - Dangerous (1989)

So sah es also aus, als das neue Schuljahr anfing: Ich war der Außenseiter und ich trieb es mit ungefähr der Hälfte meiner Altersgenossinnen. Jocasta gehörte nicht zu diesem Kreis. Was eigentlich fast das Beste daran war.
Ihre treuen Untertaninnen verheimlichten ihr etwas. Etwas wirklich Schwerwiegendes. Das gab meinem Selbstwertgefühl zusätzlichen Auftrieb. Und es ließ tief blicken, was ihre Aufmerksamkeit anging. Sie fühlte sich so sicher, dass sie es nicht einmal bemerkte.
An meiner Tasche hatte ich mittlerweile eine ganze Reihe von Höschen. Aber ich hatte damit aufgehört, nach jeder Begegnung eines einzufordern. Nur von Melody hatte ich zwei Stück. Und irgendwie bedeuteten die mir auch etwas. Besonders, da sie und ich nie wieder etwas miteinander hatten.
Zum Ende des letzten Schuljahres hatte sie die Schule gewechselt. Irgendetwas mit ihren geschiedenen Eltern, soweit ich es mitgehört hatte. Sie war nun auf einer Schule bei ihrem Vater und ihre Schwester war dafür hier.
Klick.
Die Neue!

Etwas an ihr war mir bekannt vorgekommen. Und nun wusste ich es. Das musste Melodys Schwester sein.
Verdammt!
Ich war eigentlich froh gewesen, dass sie fort war. Ich hatte die Sommerferien in einer Resozialisierungseinrichtung verbracht und war mehrfach überprüft worden. Meine Bewährungszeit war offiziell vorbei und man hatte beschlossen, dass meine Noten und Beurteilungen gut genug waren, um mich meinen Abschluss auf der Schule machen zu lassen.
Meine Leistungen waren objektiv betrachtet schlecht, weil ich meistens zwei Noten schlechter bewertet wurde, als alle anderen. Insbesondere, wenn ich gute Arbeit ablieferte. Aber ich hatte eine reelle Chance auf ein Abschlusszeugnis. Wahrscheinlich gerade einen halben Punkt oberhalb der Marke. Aber immerhin.
Schließlich wäre es für das Projekt an sich schlecht gewesen, wenn es ein Fehlschlag wäre. Und außerdem musste eine Topschule ja wohl einen Asozialen mit dem notwendigen Wissen versorgen können, auch wenn der dumm war, oder?

Mel weiter auf der Schule zu haben, wäre eine Komplikation gewesen, denn ich war nicht so wirklich richtig über sie hinweggekommen. Ich war nicht verliebt oder verknallt, aber sie hatte mir etwas angeboten, was sonst niemand mir hatte geben wollen: Freundlichkeit. Und ich hatte sie abblitzen lassen. Weswegen ich mich gleich doppelt schlecht fühlte.
Ihre Schwester sah nicht aus wie sie, aber es gab da Ähnlichkeiten. Und an meinem Defizit in Sachen menschlicher Wärme hatte sich nichts geändert.

Ich war meine Fußfessel nun los und durfte theoretisch auch den Campus verlassen. Aber ich durfte das bewachte Wohngebiet nicht betreten und mich nicht darin bewegen, ohne einen Ausweis zu haben, der mich als Anwohner identifizierte.
Ich durfte also theoretisch in die Stadt, konnte aber nicht dorthin und vor allem nicht wieder zurückgelangen. Was mich de facto auf den Campus beschränkte.
Aber zumindest konnte ich darauf spekulieren, mich ab und zu wegschleichen zu können. Solange mich keine Streife anhielte, würde ich mich nicht ausweisen müssen. Und ohne die Fessel war ich nicht an einen Lokalisator gebunden. Denjenigen in meiner Ausweiskarte konnte ich schließlich zurücklassen.
Damit gab es die Möglichkeit, sich zu einem der Häuser zu schleichen, in denen die anderen Schüler wohnten. Und ich war nicht bereit darauf zu wetten, dass ich nicht eines Tages nachts vor Melodys Fenster gestanden hätte.

Aber ihre Schwester war nicht Mel. Sie brachte mir sicherlich keine Wärme entgegen und ich hoffte, dass sie sich auch nicht dem Sexklub anschließen würde, der sich um mich herum entwickelt hatte. Wobei…
Von meinem Platz aus konnte ich sie sehen und musterte sie noch einmal eingehend, wenn auch diesmal möglichst unauffällig.
Sie musste genau so alt sein wie Mel. Aber sie sah ihr nur geringfügig ähnlich. Also entweder dicht aufeinander geboren oder zweieiige Zwillinge. Ich spekulierte auf Letzteres.

Sie war süß. Also so richtig süß.
Melody hatte etwas Lolitahaftes an sich gehabt. Ihre Schwester wirkte wie ein Engel. Ein Engel mit dunklem Haar und erstaunlich großen Brüsten für einen so zierlichen Körperbau. Aber ihre Augen waren nicht so sanft wie die ihrer Schwester.
Mel hatte sich hart und abgebrüht gegeben und vielleicht ein sanftes Wesen gehabt. Ich war mir bewusst, dass ich da viel interpretierte und Wunschdenken einbrachte. Aber ich konnte es auch nicht ändern.
Ihre Schwester war abgebrüht. Wenn ich jemals einen jungen Menschen in diesen Gesellschaftskreisen gesehen hatte, dem ich einen eiskalten Mord zutrauen mochte, dann war es diese Frau.

Oh ja… Check.
Ich sortierte sie nicht als unreifes Mädchen ein, wie die anderen. Warum auch immer. Ich sah eine Frau unter lauter Mädchen.
Und ich sah auch Leidenschaft in ihren Augen. Eiskalte Mörderin? Eher aus Leidenschaft. Ich war bereit, eine Wette darauf einzugehen, dass sie nicht einen Deut weniger Temperament hatte, als die jähzornige Jocasta. Aber sie hatte es besser im Griff. Ein ruhender Vulkan.
Wie wäre wohl der Sex mit ihr…?

Scheiße!
Ich erstarrte bei diesem Gedanken. Falsche Richtung. Ganz schlechte Idee. Warning! Warning!
Und dann sah sie mich an. Und ich war Beute…

Sie hatte die ganze Zeit über still dem Gespräch ihrer neuen Klassenkameradinnen gelauscht. Vermutlich über alles, was an dieser Schule für die Mädchen von Bedeutung war. Aber sie hatte sich zurückgehalten und ziemlich sicher ihre eigene Meinung gehabt.
Sie hatte all diese Kleinigkeiten nicht getan, die ich bei allen Mitläuferinnen beobachtet hatte. Sie war eine Macherin und vermutlich echte Konkurrenz für Jocasta. Und das im Abschlussjahr. Arme Püppi…
Aber nun sah sie mich an. Ihre unglaublichen, blauen Augen erwiderten direkt meinen Blick.

Meine automatische Reaktion war ein schmieriges, halbseitiges Grinsen und ein offensichtlicher Blick auf ihre Brüste. Aber als ich wieder in ihr Gesicht sah, hatte sie eine Augenbraue hochgezogen und ihre Augen lächelten wissend.
Busted! Sie durchschaute den Bluff sofort und informierte mich darüber.
Sie saß einfach nur so entspannt da. Die Beine locker überkreuzt, einen Arm lang mit dem Handgelenk auf dem oberen Knie und einen Arm bequem in den Schoß gelegt. Den Rücken gerade und den Kopf hoch erhoben ließ sie ihre Haltung nicht dominant wirken, aber sie verweigerte auch jede Unterwerfungsgeste. Beispielsweise gegenüber Jocasta.
Aber alles, was ich wahrnehmen konnte, waren diese verfluchten Augen und wie perfekt sie zu den fein geschwungenen Brauen passten. Oder zu den hochgezogenen Wangenknochen, die ihr etwas Exotisches verliehen. Katzenhaft, wenn man erst einmal die Augen analysiert hatte. Engelsgleich andernfalls. Aber trotz meiner Einschätzung über sie irgendwie noch beides.
Wer konnte sagen, ob ein Engel gefallen war, oder noch seine Harfe hatte?

Ihr linker Mundwinkel zuckte etwas und ich bekam das leichteste, angedeutete Lächeln, das ich jemals gesehen hatte. Es war amüsiert. Nichts weiter. Nicht herablassend, nicht abfällig. Nur amüsiert. Und ich musste zugestehen, dass sie ein Recht auf ihre Reaktion hatte. Ich hatte als Erster agiert und war durchschaut worden.
Ihr Mund bewegte sich. ‚Wer ist das da?‘, fragte sie in die Runde, ohne die anderen Mädchen anzusehen.
Die Runde folgte ihrem Blick und fing sofort an zu schnattern. Ich erntete eine Reihe böser und abfälliger Blicke. Auch die anderen um Jocasta herum hielten die Fassade aufrecht, obwohl alle beide gelegentlich unter mir vor Lust kreischten.
Die Neue wandte ihre Aufmerksamkeit von mir ab und betrachtete die anderen drei der Reihe nach. Sie hörte nicht nur zu, sondern analysierte auch, was sie wirklich sagten. Da ich meinen Blick nicht losreißen konnte, wurde ich Zeuge einer sehr interessanten Reaktionsspanne.

Mels Schwester hatte ein gutes Pokerface. Aber es war nicht perfekt. Sie zeigte Reaktionen, die sehr subtil waren. Vermutlich wären sie mir direkt vis-à-vis nicht so deutlich aufgefallen, wie auf die Distanz. So formte sich aus winzigen Bewegungen der Augenbrauen, der Nase, der Mundwinkel und der generellen Körperhaltung ein Bild.
Während ich es beobachtete, ging mir auf, dass ich sie deswegen so gut einschätzen konnte, weil ich auf sehr genauen Beobachtungen ihrer Schwester aufbauen konnte. Wenn man jemanden in verschiedenen Stadien der Ekstase beobachtet hat, lernt man eine Menge. Ich war mir nun sicher, dass sie Melodys Zwillingsschwester war. Und ich erfuhr auf erstaunlich klare Weise, was sie von Dingen hielt, die ihr über mich erzählt wurden, ohne diese Dinge genau zu kennen.
Was auch immer ihr Jocasta berichtete, sie nahm es skeptisch. Sie erkannte scheinbar genau, dass Jocasta mir gegenüber voreingenommen war. Und sie sortierte es für sich auf eine Weise ein, die ich nicht genau einschätzen konnte. Aber sie kaufte es nicht.
Was die anderen beiden erzählten, konnte sich im Wortlaut nicht so sehr unterscheiden. Aber es vermittelte offenbar eine ganz andere Botschaft. Es schien ein gewisses Erstaunen zu erzeugen, als könne die Neue klar erkennen, dass Worte und Körpersprache nicht miteinander harmonierten.
Mehrmals blickte sie zu mir, als suche sie nach der Wahrheit zwischen den Zeilen in meiner Haltung oder in meinem Gesicht. Und jedes Mal wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich sie noch immer anstarrte.
Fuck! Ich musste hier weg!

Aber ich musste mich auch an mein Image halten. Und deswegen ging ich am Tisch der Gruppe vorbei.
„Wasch dir lieber den Mund, Jo“, grunzte ich mitten eine Tirade von Jocasta über Klassenunterschiede hinein. Die Reaktion kam wie erwartet. Zumindest die eine.
„Der Name ist Jocasta, Müllmann“, korrigierte mich die oberste Barbie eisig. Sie hatte aufgebracht, dass meine einzige Chance auf einen Platz in ihren Kreisen eine Tätigkeit als Müllmann sein würde. Und es war kleben geblieben.
Wie ich erwartet hatte, tastete ihre Hand aber gleichzeitig nach ihrem Puderdöschen. Sie würde bald überprüfen, ob ihr Lippenstift noch richtig saß, oder ob ich einen Makel an ihrem perfekten Makeup entdeckt hatte. Und sie würde es sicherheitshalber so oder so erneuern. Was genau das war, worauf ich abgezielt hatte, obwohl mein Kommentar sich auf ihr Lästermaul bezog.
Allerdings reagierte auch die Neue:
„Wieso?“, fragte sie vergnügt. „Ist da noch Sperma?“

Ich stolperte, aber niemand bemerkte es, denn alle Augen lagen auf der Frau, deren Name oder wahrscheinlicher Spitzname, offenbar ebenfalls Jo lautete.
Sie lachte nach einem Moment in die Stille hinein und ich wäre beinahe noch einmal gestolpert, denn mir knickten de Knie ein. Mit diesem Lachen musste sie von Rechts wegen als bewusstseinsverändernde Droge eingestuft werden.
„Ein Scherz“, erklärte sie noch immer lachend und sorgte für eine ganz kurze Entspannung der beinahe schon greifbaren Stille. „Ich schlucke immer alles.“

Bamm!
Ich rannte beinahe aus der Mensa, damit ich nicht vor Lachen brüllend auf dem Boden endete.
Diese Art von Humor war etwas, dass ich noch niemals bei einer Barbie beobachtet hatte. Im Geiste gestand ich Jo dafür eine großzügige Menge Gummipunkte zu. Und irgendwie zweifelte ich daran, dass sie sich so völlig an die hiesigen Gegebenheiten anpassen würde, dass sie diesen Stein aus meinem Brett entfernt kriegen würde.
Ich erwartete nicht, dass sie mich gut behandeln würde. Ich war Realist. Aber ich war fast bereit zu hoffen, dass sie anders genug war, um eine Koexistenz zu ermöglichen.
Ich hatte sowas von keine Ahnung…

Ich schätzte Jo natürlich völlig falsch ein. Sie hatte mich am Haken, wie sie binnen weniger Tage alle anderen Männer am Haken hatte. Sie kam aus Europa hierher nach Amerika. Und allein deswegen war sie ein Exot. Aber sie war auch vom Wesen her anders, als die anderen. Nur eben nicht so, wie ich gehofft hatte.
Sie spielte ihre Karten ziemlich offensiv aus und machte klar, dass man als Weltbürger nicht verschämt mit sexuellen Themen umging. Sie hatte immer ein Beispiel für jemanden, der Wurzeln in Amerika und Frankreich oder Deutschland oder sonst wo hatte, wenn es darum ging, ihre Einstellung als moderner und erhabener zu verteidigen. Und sie rannte bei den Jungs damit natürlich offene Türen ein.
In den zwei Jahren auf der Schule hatte niemals jemand Jocasta zweimal nacheinander widersprochen und war noch Teil der angesagten Clique. Jo tat das scheinbar an ihrem ersten Tag binnen zehn Minuten, nachdem ich die Mensa verlassen hatte. Und sie blieb nicht nur trotzdem Teil der In-Clique, sondern schubste sogar Jocasta beinahe vom Thron.
Innerhalb weniger Tage gab es diejenigen, die Jocasta unerschütterlich die Treue hielten und den Rest, der lieber Jos Geschichten und ihrem bezaubernden Lachen lauschte. Ein Krieg bahnte sich an.

Und ich?
Ich war aus der Schusslinie. So unglaublich das klingt.
Niemand hatte Zeit, auf dem Gossenpunk herumzuhacken. Es gab Wichtigeres. Was überraschenderweise plötzlich auch für mich galt.

Mit dem neuen Jahr hatte sich auch im Lehrkörper etwas getan. Und nebst anderen Veränderungen gab es einen neuen Lehrer. Und eine neue Arbeitsgemeinschaft auf freiwilliger Basis: Autotuning.
Für die reichen Bengel waren Arbeiten wie Autoreparaturen natürlich so uninteressant wie nur irgendwas. Aber Tuning stand auf einem anderen Blatt. Es war cool, es war angesagt und es war hipp. Sogar wenn es von irgendwelchen Jungs aus dem Ghetto gemacht wurde. Solange eine Kamera dabei war.
Tuning war die Brücke zwischen dem Ghetto und der Welt der Reichen. Neben Rap natürlich. Und… Tuning war mein Terrain.

Ich hatte natürlich keine Hoffnung darauf, in die Tuning-AG zu kommen. Die Plätze waren belegt, bevor auch nur jemand geruhte, mich über die Sache in Kenntnis zu setzen.
Aber zum Tuning gehört nun einmal eine Menge Drecksarbeit. Und auch die Arbeitsvariante, gegen die alle Schüler der Schule eine ausgeprägte Allergie hatten: anstrengende, körperliche Tätigkeiten.
Der neue Lehrer hatte damit kein Problem, wie ich herausfand, aber er saß im Rollstuhl. Also brauchte er Hilfe für viele Dinge, die mit schwerer Arbeit zu tun hatten. Und daher wandte er sich an den Hausmeister.

Und damit kam der Tag, an dem ich so dankbar wie nie zuvor - oder danach - dafür war, dass Frank, der Gebäudemanager sehr gerne Anstrengendes auf seinen halbfreiwilligen Zwangshelfer abwälzte: mich.
Er ließ mich aus der letzten, regulären Stunde des Tages holen und schickte mich in die neu eingerichtete Werkstatt der Tuning-AG. Was auch der Zeitpunkt war, zu dem ich von dieser AG erfuhr.
Dort angekommen sah ich eine fast fünfzig Jahre alte Corvette. Oder was davon übrig war, denn der Wagen hatte mindestens ein Jahrzehnt auf einem Schrottplatz oder in einem Hinterhof verbracht. Aber unter dem Rost und Dreck steckte eine solide Karosserie, wie ich wegen meiner Vorliebe für Oldtimer wusste.
Ganz offensichtlich war das Wrack gerade angeliefert worden. Und ein Mittvierziger im Rollstuhl betrachtete es zweifelnd.

„Sind sie der Hausmeister?“, fragte er, als er mich bemerkte.
Ich hatte zunächst nur Augen für die Schönheit in Rostrot und Matschbraun. Aber ich konnte schließlich auch unter die Schale sehen.
„Äh…“, machte ich. „Nein. Aber ich bin hier, um zu helfen. Ich bin der Resozialisierungs-Knacki-Handlanger.“
Es war vielleicht nicht die beste Art sich vorzustellen, aber ich hatte schon lange gelernt, dass ich genau so betrachtet wurde, wie ich mich dem Mann gegenüber bezeichnet hatte. Und es stand außer Frage, dass er genau so über mich instruiert worden war. Aber er überraschte mich.

„Der was?“
„Äh… Ich bin in einem Resozialisierungs-Pilotprojekt an dieser Schule und helfe neben dem Unterricht dem Gebäudemanagement aus.“
So stand es auf dem Papier, auch wenn die Realität eher der ersten Vorstellung entsprach.
„Oh“, machte der Mann. „Aha. Na dann …“
„Wie kann ich helfen?“, fragte ich, um ihn aus der Verlegenheit zu befreien, irgendetwas Nettes zu sagen.
„Ich bin nicht sicher, ob mir überhaupt zu helfen ist“, antwortete er seufzend. „Eigentlich soll dieses Schätzchen in der nächsten Zeit auf Vordermann gebracht werden. Aber ich habe wohl den Zustand maßlos überschätzt.“
„Wieso?“, fragte ich abwesend. „Das ist eine 1992er Callaway SuperNatural Corvette. Im Grunde sowieso schon eine Tuning-Variante. Aber eben aus den 90ern des letzten Jahrhunderts. Ist doch eine gute Basis.“
„Huh… Du kennst dich aus, hm?“

„Ein wenig“, versuchte ich bescheiden zu bleiben. Ohne mein Faible für diese Art von Auto hätte ich es weniger genau identifizieren können. „Originalmotor?“
„Das ist eine der Fragen, für deren Beantwortung ich Hilfe brauche“, erklärte der Lehrer. „Ich bin etwas gehandicapt, was das Überprüfen einiger Details angeht.“
Er sagte es ohne Bitterkeit und ich fand ihn auf Anhieb sympathisch. Immerhin hatte er mir auch noch nicht zu verstehen gegeben, dass Abschaum ihn zu siezen hatte oder etwas in der Art.
„Darf ich?“, fragte ich und zeigte auf den Wagen.
„Bitte“, antwortete er. „Nur zu.“

In der nächsten halben Stunde erkundete ich die Eingeweide einer originalgetreuen Callaway-Corvette, die irgendjemand fürchterlich hatte verkommen lassen. Hätte der Wagen in einer Garage gestanden, wäre er bereits über eine Million wert gewesen. Gepflegt leicht das Doppelte. Es war eine Schande. Und ich machte meinem Ärger darüber durchaus hörbar Luft.
Der Lehrer ließ mich alles inspizieren und fragte mich schließlich noch einmal nach meiner Meinung über den Wagen als Projektauto. Er fragte mich!
„Es ist alles dran, Sir“, erklärte ich wahrheitsgemäß. „Die Karosserie wird einige Arbeit machen und überhaupt muss die Schönheit zu allererst mal grundgereinigt werden. Aber wenn man die Arbeit in den kompletten Neuaufbau des Motors investiert, die Elektronik austauscht und die Inneneinrichtung erneuert, würde sie schnurren, wie ein Kätzchen.
Und wenn man sich mit einem guten Konzept ans Motortuning setzt und die richtigen Teile hat, dann könnte sie locker am Ende über die drei Mega gehen.“
Tatsächlich war ich mir sogar sicher, dass der Wagen leicht fünf Millionen an Wert erreichen konnte, wenn er wirklich gut neu aufgebaut werden würde. Aber das hier war keine professionelle Werkstatt.

Der Lehrer pfiff durch die Zähne. Aber nicht wegen der Summe, die ich genannt hatte, wie ich zunächst dachte.
„Du hast Ahnung davon“, stellte er fest. „Wirst du mit in der AG sein?“
Ich lachte. Kurz und freudlos und mit einem guten Spritzer Bitterkeit. „Nicht in tausend Jahren.“
„Bitte?“, fragte er konsterniert.
„Entschuldigen sie, Sir. Hat nichts mit ihnen zu tun. Aber ich bin auf dieser Schule ein Außenseiter und ich komme ganz sicher nicht in die heißeste AG des Jahres. Ich bin ein Paria.“
„Aber du bist verpflichtet bei einigen Aufgaben des Gebäudemanagements zu helfen?“, wollte er mit einem irgendwie listigen Unterton wissen.
„Ja, Sir.“
„Dann fordere ich mal schnell einen Assistenten vom Management an, was?“
„Sir?“
„Nenn mich Jake, Junge“, sagte er grinsend und streckte mir die Hand entgegen. „Wir werden viel Zeit miteinander verbringen.“
Ich musste schlucken und nahm seine Hand sehr vorsichtig. Ich konnte es noch nicht so richtig glauben. Wollte er allen Ernstes mich als Assistenten für sein Tuning Projekt? Mich?
Ich fragte ihn genau das. Und ich erklärte ihm auch den Grund für meine Verwirrung.

„Um es dir klar zu sagen: Ja“, sagte er daraufhin ernst. „Vielleicht bin ich noch nicht lange genug Lehrer auf einer so exklusiven Schule und habe mich noch nicht angepasst. Oder meine Behinderung sorgt für eine gewisse Umnachtung. Oder aber - und ich bevorzuge es so zu sehen - ich bin einfach mehr Lehrer als meine hiesigen Kollegen. Und als Lehrer habe ich nur Schüler. Nicht A-Schüler und B-Schüler.“ Er grinste entwaffnend. „Außerdem wirst du mich verfluchen, denn da du offenbar wirklich gut Bescheid weißt, werde ich dich arbeiten lassen, während ich rede und rede und rede.“
Ich grinste zurück. „Deal!“

Und damit änderte sich so einiges bis im Grunde alles in meinem Leben.
Aber das hatte nicht unbedingt nur mit Jake zu tun…

Nach unserem Gespräch instruierte er mich über die Konzeption der AG. Ursprünglich hatte er vorgehabt, den Wagen in seinen Originalzustand zu versetzen und dann ein wenig aufzuhübschen. Er kannte sich mit der Technik aus und war zuversichtlich gewesen, dass die Schüler seinen Anweisungen folgend die Arbeit erledigen konnten.
Ich zog ihm diesen Zahn, aber es war sowieso hinfällig, denn nachdem wir uns eine Weile über meine Erfahrungen ausgetauscht hatten, fasste er einen ehrgeizigeren Plan.
Ich war ein Schrauber. Und ich kannte mich wirklich mit der Technik aus. Nur die Gesamtkonzeption lag außerhalb meiner Komfortzone. Zusammen konnten wir aus dem Wrack ein Auto machen, dass ein modernes Viertelmeilenrennen gewinnen konnte. Und es erwies sich, dass wir beide auch davon eine gewisse Ahnung hatten.
Also markierten wir gemeinsam dieses ehrgeizige Ziel für die AG. Und ich würde die Arbeit machen, während Jake in seiner Freizeit die Konzeption vornahm und in den AG-Stunden den Schülern lang und breit erklärte, was wir taten.

Sie würden im Höchstfall ab und zu ein Werkzeug anreichen müssen. Und mehr konnte man von ihnen auch nicht erwarten. Aber mir war das ganz recht.
Sicherlich wäre ein weiteres Paar fähiger Hände mehr als hilfreich gewesen, aber ich war zuversichtlich, die Arbeit auch so zu packen. Und ich durfte endlich wieder schrauben.
Die großartigste Aussicht war jedoch, dass ich den Wagen Probe fahren würde, wenn er soweit war. Ich würde in meinem ganzen Leben niemals wieder so ein Geschoß in die Hände bekommen und es auch fahren dürfen. Mehr Motivation brauchte ich nicht.

Jake klärte all das mit der Direktion und dem Hausmeister ab. Letzterer war nur froh, nichts damit zu tun haben zu müssen. Erstere war einfach erstaunt, stimmte aber zu.
Das ganze Projekt würde auf Kamera aufgezeichnet werden. Vor allem, damit alle Arbeitsschritte dokumentiert wurden. Aber auch, weil ich eine Menge Arbeit in meiner Freizeit tun würde, von der die anderen Schüler nichts mitbekamen. So konnten sie die Schritte nachvollziehen.
Und der erste Schritt in der ersten Stunde und danach würde die Reinigung sein. Die echte und wirklich unangenehme, aber auch unvermeidliche Drecksarbeit.

Als die AG-Teilnehmer schließlich eintrafen, erlebten alle eine Überraschung. Die fast ausschließlich männliche Gruppe Schüler wegen meiner Anwesenheit und ich wegen Jo, die Teil der AG sein würde. Das war so ziemlich das Unerwartetste des Tages. Und das wollte was heißen.
Ich erfuhr später, dass sie einfach einen der ursprünglichen Teilnehmer gebeten hatte, ihr seinen Platz zu überlassen. Und er hatte es getan. Aber für den Moment wusste ich nur, dass sie hier sein und mich beobachten würde.
War das Hölle oder Himmel? Keine verschissene Ahnung.

Davon abgesehen fing die Sache allerdings großartig an. Es gab ein wenig Gemurre als sie meiner ansichtig wurden. Aber Jake ignorierte das und sprach mit mir wie zuvor auch.
Es hinterließ bleibenden Eindruck, dass der Lehrer dieser AG mich mit Vornamen ansprach und sich vor allem von mir so anreden ließ. Als einer der anderen einfach auf diesen Zug aufspringen wollte, wurde er so schnell und eindeutig auf seinen Platz verwiesen, dass ich mir noch eine Stufe geehrter vorkam.
Mann… Was für ein Tag. Und er war noch nicht vorbei…

Die AG war auf zwei Stunden nach der regulären Unterrichtszeit einmal in der Woche angelegt. Und die ersten beiden Stunden vergingen mit Erklärungen und einer Schilderung des Projektes.
Jake war ziemlich gut als Erklärer. Er verzichtete auf Details wie den Typ des Wagens, weil das ohnehin niemandem etwas sagen würde. Aber er kriegte sie damit, dass ein Auto aus den 90ern am Ende die schnellsten Straßenwagen der Neuzeit abhängen sollte. Alle waren Feuer und Flamme. Außer Jo. Die war der übliche, undurchschaubare Eisberg.
Allerdings erklärte sich eben dieser Eisberg bereit, die Kamera zu übernehmen. Also kam ich ihr ein gutes Stück näher, als sie die Details dokumentierte, die zur Einführung gehörten.
Himmel oder Hölle? Beides?

Ich meine… Gott!
Diese Frau war so ziemlich all das, was die anderen Mädchen nicht waren. Sie hatte die Bewegungsmuster einer Raubkatze auf der Pirsch, als sie mit der Kamera neben mir herging. Und sie war geschmeidig wie eine Leistungssportlerin. Und ungefähr so sportlich im Muskeltonus.
Das waren keine Fitnessstudio-Muskeln. Sie musste Sport treiben. Ich schwankte zwischen irgendeiner Kampfkunst, Leichtathletik, Tanz und Schwimmen. Am Ende entschied ich mich für alles zusammen, denn es passte einfach zu ihr.

Aus der Nähe betrachtet - und ich nutzte jede noch so kleine Gelegenheit sie heimlich aus der Nähe zu betrachten - trug sie kein Makeup. Nicht einmal Lippenstift. Aber vielleicht irgendetwas an den Augen, denn solche Wimpern und Schattierungen um die Augen in natura zu haben, würde schon gegen die Genfer Konventionen verstoßen.
Ich wäre jederzeit für eine 20:1-Wette zu haben gewesen, dass sie keinen BH trug, auch wenn die Struktur ihres Oberteils das gut verschleierte. Aber ich war mir sicher, subtile Hinweise entdeckt zu haben. Und ich starb beinahe an einem Hustenanfall, als sie sich einmal in den Wagen beugte, während ich hinter ihr stand. Ich sah nichts anderes als den Ansatz ihrer Pobacken. Ohne irgendwelchen Stoff.
Als sie wieder aus dem Wagen kam, blickte sie mich ganz kurz an, bevor sie wieder hinter der Kamera verschwand. Und da wusste ich, dass sie ganz genau wusste, dass sie mich am Haken hatte. So wie alle anderen auf dieser Schule. Zumindest diejenigen männlichen Geschlechts.
Scheiße… Ich war Beute. Und zwar willige Beute.

Aber ich wusste auch, dass ich überhaupt keine Chance hatte. Vielleicht würde ich sie auch irgendwann einmal ficken. Aber es würde ganz genau so oberflächlich sexuell sein, wie mit den anderen Mädchen.
Trotzdem würde ich es tun. Ich war ein Mann. Und sie war so etwas wie die lebendig gewordene Versuchung. Ich hatte allerdings den Verdacht, dass sie sich nur auf diese Spielchen einlassen würde, wenn sie davon profitierte. Und ob sie die Art der Spielchen und die Orgasmen als profitabel betrachten würde, bezweifelte ich irgendwie. Sie war eher der Typ Frau, der selbst solche Spiele inszenierte. Und der Typ Frau, der keinen Mangel an Orgasmen hat, weil sie sich gar nicht erst so weit einschränkte, dass da ein Mangel entstand.
Scheiße war ich eifersüchtig auf den, der ihr erster Freund hier werden würde. Glücklicher Bastard, der…

Ich kam für mich ganz allein zu einem interessanten Schluss an jenem Nachmittag: Ich hatte ein Faible für den berechnenden Frauentyp.
Die Sorte, die so richtig gefährlich ist und einen wirklich, wirklich unglücklich machen kann, weil sie einen Plan hat, in dem man nur ein Bauer auf einem Schachbrett ist.
Aber auf der anderen Seite waren in diesen Frauen eine Tiefe und irgendwie auch eine Ehrlichkeit der Motivation verborgen, die mich anzog. Und ich hatte das Gefühl, dass echte Gefühle mit so einem Menschen genau die unermessliche Tiefe erreichen konnten, nach der ich mich sehnte, wenn denn überhaupt echte Gefühle aufkamen.
Scheiße… Ich war wirklich auf emotionalem Entzug und hatte mich offenbar in den passenden Eisberg zu meiner Titanic verguckt. Herzlichen Glückwunsch, Matt.

So oder so genoss ich es trotzdem. Und als die AG-Zeit endete, war ich nicht unbedingt glücklich. Aber wie ich sagte: Der Tag war noch nicht vorbei…
Die Schüler packten zusammen und verdrückten sich langsam. Und Jake bedanke sich bei Jo und wandte sich an mich.
„Bis nächste Woche sollte der Wagen sauber sein.“
„Mh-hm“, bestätigte ich. „Inklusive Motor und Ausschlachtung, denke ich.“
„An Motivation mangelt es dir jedenfalls nicht“, lachte er kopfschüttelnd.
„Ich komme hier sowieso nicht raus, Jake. Also kann ich auch das Beste daraus machen.“
„Ich werde dich nicht davon abhalten, Junge.“
„Ich fange jetzt gleich mit der Außenreinigung an, wenn du einverstanden bist. Das dürfte einige Stunden dauern.“
„Darf ich helfen?“

Rasiermesserscharfe Krallen nutzten diesen Augenblick, um mir mit einer federleichten Berührung ganz langsam über den Rücken zu streichen. Und außerdem wurde mir schwindelig. Und schlecht.
„Was?“, kiekste ich, als wäre ich im Stimmbruch.
„Klar“, sagte Jake gleichzeitig und grinste an mir vorbei. Er musste meinen Gesichtsausdruck ziemlich gut interpretieren, denn er fügte unglaublicherweise hinzu: „Kommt ihr Kinder allein zurecht?“
„Klar, Mister Fuller“, flötete Jo vergnügt hinter mir, während ich wieder einen Hustenanfall hatte.
„Wer bereit ist, mit anzupacken und sich die Hände schmutzig zu machen, der darf mich Jake nennen“, erklärte der Lehrer grinsend an mir vorbei. „Und du bist Jaqueline, richtig?“
„Jo, bitte“, antwortete sie. „Und ich hatte mich schon gewundert, wie er sich eingeschleimt haben könnte. War ja doch einfacher als gedacht.“
„Er hat noch ein paar verborgene Qualitäten mehr“, versicherte Jake lachend und klopfte mir auf die Schulter. Er war bereits ein wenig näher zu ihr gefahren, aber ich stand immer noch etwas vorgebeugt dorthin gewandt, wo er zuvor gewesen war. „Aber wo ist denn in Jaqueline ein ‚o‘?“
„Jaqueline Ophelia.“

Ah! So klang es also, wenn sie wirklich Worte auskotzte. Ich war bereit zu beten, dass ich niemals Worte in meine Richtung auf diese Weise hören musste. Auch wenn ich nicht an Gott glaubte. Aber sie konnte aus dem Ganzen auch ein Kontrastprogramm machen, denn sie setzte hinzu: „Und ich bin sicher, dass er noch andere… Qualitäten hat.“
Jake lachte. Und ich machte mich ruckartig gerade, denn die Krallen hatten mich wieder gestreift. Ob sie kleine Hörnchen und Fledermausflügeln bekam, während sie ein Wort so betonte, wie die ‚Qualitäten‘ gerade?

Dann traf mich Baseballschläger Nummer fünf meines Lebens mit etwas Verspätung: Sie wusste es!
Sie wusste über den geheimen Sexklub Bescheid. Und zwar im Detail.
Scheiße!

„Also Kinder“, sagte Jake, „Ich bin weg.“
„Bis zum nächsten Unterricht mit Ihnen“, flötete sie fröhlich.
Ich krächzte irgendetwas, denn meine Stimmbänder waren weiterhin so wackelig, wie meine Knie.
„Mit ‚dir‘, Jo“, rief er über die Schulter und verschwand aus der Halle.
Plötzlich war ich allein. Mit ihr! Mit einem Mal war mir noch flauer.

Aber Jo kümmerte sich erst einmal nicht um mich, sondern ging zum Wagen hinüber. Ich konnte sie aus dem Augenwinkel sehen. Sie fuhr mit einem Mittelfinger an der Außenlinie der Karosserie entlang, als wäre es ein Kunstwerk in der Linienführung.
Nun… Der Wagen war ein Kunstwerk in der Linienführung, aber er war auch ein Wrack. What the fuck…?
„Also eine Callaway SuperNatural Corvette“, murmelte sie abwesend. “1993?”
Ich konnte nicht sofort antworten, denn sonst hätte ich um ihre Hand angehalten. Traumfrau mit zwei Buchstaben, anybody?
Der zweite Versuch wurde zu einem Krächzen, woraufhin ich sie leise kichern hörte. Aber dann gelang es mir zu keuchen: „92.“

Sie antwortete nicht und ich hielt es nicht mehr aus. Ich musste mich umdrehen, oder ich würde ihr auf der Stelle meine unsterbliche Liebe gestehen und sie auf Knien anflehen, mich den Boden küssen zu lassen, auf dem sie stand. Es erwies sich als Fehler.
Anstatt sich weiter über mich zu amüsieren, hatte sie sich dem Motor zugewandt. Es gab da diesen Film vom Anfang des Jahrtausends. Einen Film über Roboter, die ihre Form zu Autos verändern konnten. Und die weibliche Hauptrolle war mit einer der besonders heißen Frauen des damaligen Jahrzehnts besetzt worden. Obwohl sich die Geister über ihre schauspielerischen Qualitäten schieden, waren sich die meisten Fans solcher Oldies einig, dass die Szene, bei der sie sich in den Motorraum eines Wagens beugte, unzweideutig heiß war.

Ich erlebte gerade ihr Remake.
Und dabei fiel mir nicht nur am Rande auf, dass Jo sich scheinbar einen Scheiß darum scherte, ob ihre weiße Hose schmutzig wurde. Was sie wurde.
Oh, wäre ich doch nur dieser Schmutz gewesen.


*****

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Donnerstag, 3. Mai 2012

Inner Demons - wip


Inner Demons
Eine amerikanische Biker-Geschichte

Work in Pogress

Schuld an dieser Geschichte ist Jon Bon Jovi. Was macht er auch ein Lied mit dem Titel 'Wanted Dead or Alive'?

Ich habe die Story laufen lassen, wo sie hin wollte. Und das ist manchmal ein Segen und manchmal ein Fluch.
Im Moment weiß ich nicht, was hier zutrifft. Aber vielleicht kann mich ja die Meinung anderer erhellen. Also keine Zurückhaltung bitte!


*****


Langsam und unsicher näherte sie sich von hinten dem Motorrad mit dem mysteriösen Mann darauf. Er hatte ein Bein über den Sitz gelegt und stützte sich mit dem anderen am Boden ab. In der Hand hielt er die Gitarre, mit der er gerade eben den Biker niedergeschlagen und ihr so aus ihrer ziemlich unangenehmen Lage geholfen hatte. Er schien sie zu stimmen.
„Warum hast du das getan?“, fragte sie, all ihren Mut zusammennehmend. „Niemand sonst hat… mir geholfen.“
„Ich mochte seine selbstgefällige Fresse noch nie“, brummte der Mann, ohne sich umzudrehen oder auch nur den Kopf zu heben.

Seine Stimme und seine ganze Art verursachten ihr eine Gänsehaut. Er war sicherlich kein netter Mensch. Eigentlich genau die Sorte, vor der ihre Mutter sie immer hatte warnen wollen. Aber auf der anderen Seite hatte Mutters Liebling Brad sie hier - mitten im Nirgendwo - zurückgelassen. Ohne Handy, Geld oder auch nur Klamotten.
Und warum? Weil sie nicht mit ihm hatte schlafen wollen. Sonderlich nett war das ja wohl auch nicht.
Dieser Fremde war seit Tagen der Erste, der irgendwie nett zu ihr gewesen war. Und er hatte keine Gegenleistung verlangt. Im Gegensatz zu all den anderen. Aber…

„Wer bist du?“
Sie musste es einfach fragen. Es war wie in einem dieser Hollywood-Streifen. Er hatte etwas… Unwirkliches an sich.
Anstelle einer Antwort änderte er seinen Griff an der Gitarre und spielte einige Akkorde. Sie waren irgendwie vage vertraut. So als müsste sie das Lied kennen. Aber es wollte ihr zunächst nicht einfallen.
Erst als er anfing zu… singen!
„I’m a cowboy. On a steel horse I ride. I’m wanted dead or alive.”

“Du…” Für einen Augenblick war sie so verblüfft, dass ihr die richtigen Worte nicht einfielen. „Du verarscht mich gerade, oder?“ Nur in Gedanken fügte sie hinzu: ‚Wie die anderen…‘
Diesmal blickte er sie über die Schulter an. Knapp über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg traf sie der Blick aus diesen Augen, die alles Mögliche in ihrem Körper auslösten. Nicht zuletzt ein wirklich greifbares Gefühl von Bedrohung und Gefahr.
„Du hältst dich besser von mir fern, Kleines“, brummte er nicht eben freundlich. „Ich war nicht nett zu dir, sondern so ziemlich das Gegenteil davon gegenüber jemandem, den ich nicht mag. Du warst nur zufällig dabei.“

Es war wirklich wie im Film. Und zwar in einem wirklich Schlechten.
Im Fernsehen hätte Sherry spätestens jetzt genervt umgeschaltet, weil ihr der obercoole Biker, der so offensichtlich eine Mischung aus schwarzem Ritter und Axtmörder darstellen sollte, auf den Wecker gegangen wäre.
Aber das war kein Film. Das war die beschissene Wüste in Arizona und diese Freaks hier meinten all ihre Anwandlungen bitter ernst, wie sie am eigenen Leib erfahren hatte.
Und dann war da noch etwas anderes. Etwas… anderes…

„Bitte… Mister“, flüsterte sie der Verzweiflung nah. „Ich… Ich brauche Hilfe. Ich stecke hier fest und man lässt mich noch nicht mal telefonieren, ohne dass ich die Beine dafür breit machen soll. Ich…“
Die völlige Hoffnungslosigkeit ihrer Lage brach nun so richtig durch und Tränen strömten ihr über die Wangen. Wenn nicht einmal er ihr helfen wollte…

„Was lässt dich glauben, ich würde weniger von dir verlangen?“, knurrte er, von ihren Tränen offenbar unberührt. Wenn überhaupt klang er sogar eher noch abweisender, als zuvor.
„Bitte, Sir… Bitte!“ Auf die Knie fallend streckte sie flehend die Hand nach ihm aus. Ihr Stolz hatte die Behandlung der Trucker und Biker an diesem gottverlassenen, namenlosen Ort im Nirgendwo schon beinahe nicht überlebt. Und nun nahm dieser Mann ihr auch noch ihre Würde. Aber welche Wahl hatte sie sonst?
„Wenn sie mir helfen, dann… dann tu ich es…“
„Es?“ Der Funke von Emotion in seiner Stimme klang nicht unbedingt wie Interesse, aber er war immerhin etwas.
„Alles. Was sie wollen…“
„Das schreiben wir auf deinen Grabstein, Kleines“, grunzte er.

Er lehnte die Gitarre an sein Motorrad und stand auf. Drohend ragte er vor ihr auf und erschien ihr mit einem Mal noch riesiger, als zuvor. Und noch sehr viel bedrohlicher.
„Bist du wirklich so saudumm, Püppchen?“, schnauzte er unvermittelt so laut, dass sie erschrocken zusammenfuhr. „Statt dich von einem der fetten Trucker mal für ein oder zwei Minuten besteigen zu lassen oder ihm einfach kurz die Flöte zu polieren, kommst du auf Knien zu mir gerutscht und bettelst ausgerechnet mich an, dir zu helfen?“ Sprachlos starrte sie zu ihm hinauf und ihr Gesicht spiegelte sich in seiner Sonnenbrille.
„Ich sag dir das nur noch ein Mal: Kriech da rein und lutsch irgendeinem Drecksack die Eier. Dann überleb…“
Beinahe jedes seiner Worte hatte sich angefühlt wie ein Schlag ins Gesicht. Und als er sich abrupt unterbrach und unter seine Jacke griff, rechnete sie damit, dass er genau damit nun in körperlicher Hinsicht anfangen würde.
Das sich eine große, bösartig aussehende, schwarze Pistole darin befand, als die Hand wieder erschien, war eigentümlicherweise beinahe weniger schlimm.
Doch er richtete sie nicht auf Sherry, sondern auf etwas oder jemand anderes.

„Einzige Warnung, Mutterficker!“, schnauzte er in die gleiche Richtung. „Noch ein Schritt und ich schieß dir die Klöten weg.“
„Du has‘ mei‘m Bruder d‘n Kiefer g’broch‘n“, grunzte eine männliche Stimme zur Antwort. Aber ihr fehlte die Schärfe. Dafür erkannte die junge Studentin sie allerdings als eine derjenigen wieder, die sich ganz besonders dafür ausgesprochen hatten, die hilflose Frau einfach auf einen Tisch zu binden und als Lokalrunde zu betrachten. Unwillkürlich warf sie sich vorwärts und umklammerte schutzsuchend das Bein des Bikers.
„Was’n das“, höhnte der neu hinzugekommene Mann daraufhin abfällig. „Mad Dog Malloy, der Nutt‘nschlitzer, macht jetz‘ ein’n auf Bodyguard?“

Nuttenschlitzer? Sherry erstarrte.
Seit Wochen suchte die Polizei bundesweit einen Mann, der sechs Prostituierte ermordet haben sollte. Mit einem Messer. Die Medien hatten ihn Mad Dog getauft, weil man ihn als geistesgestört betrachtete und mit einem tollwütigen Tier verglich.
Und dennoch. Als sie vorsichtig am Körper des Mannes über ihr hinaufblickte, wirkte er völlig ruhig und beherrscht. Sehr bedrohlich, aber nicht irre. Und dann war da noch das unerklärliche Gefühl von Sicherheit, dass er ihr gerade vermittelte. Sicherheit vor einem Mann, der sie vielleicht - nur vielleicht - nicht töten wollte. Aber er wollte ihr ganz sicher Schlimmeres antun.

„Irgendwann, Malloy“, unterbrach der andere Mann ihren Gedankengang. „Irgendwann bin ich hinter dir…“
Mit diesen Worten zog er sich rückwärtsgehend zum Gebäude zurück und verschwand darin. Erst dann steckte der Biker seine Waffe wieder weg und blickte anschließend zu der Frau an seinem Bein hinunter.
„Und?“, knurrte er „Soll ich dir immer noch helfen?“

Ihr Nicken kam ohne das geringste Zögern. Erst danach explodierten all die kleinen, warnenden Stimmen der Vernunft in ihrem Kopf in einem kollektiven Aufschrei der Verzweiflung.
Malloys Miene zuckte nur kurz. Zu kurz um auszumachen, welche Regung da über seine Miene gehuscht war. Und die Sonnenbrille verbarg alle anderen Gefühle sehr effektiv.
Kalt und abweisend starrten die verspiegelten Gläser auf sie hinab. Lange tat und sagte er gar nichts.

Als er sich dann umdrehte, geschah es so abrupt, dass Sherry den Halt verlor und in den Staub fiel. Im nachsehend schwankte sie zwischen ein wenig Erleichterung und sehr viel stärkerer Verzweiflung.
Was war nur los mit ihr? War es denn besser sich aufschlitzen zu lassen, als vergewaltigt zu werden?

Ohne es verhindern zu können fing sie wieder an zu schluchzen und sah dem Biker dabei zu, wie er die Gitarre verstaute und auf sein Motorrad stieg. Mit dem Fuß klappte er die Stütze ein und ließ den Motor der Maschine an. Und dann… tat er nichts weiter. Nur die verspiegelten Brillengläser wandten sich in ihre Richtung.
Als säße ihr der Teufel im Nacken sprang die junge Frau auf und rannte zu dem Mann hin, während der letzte Funke Vernunft in ihrem Kopf sich fragte, ob sie da nicht gerade eher dem Teufel in die Arme lief.
Kaum saß sie eben so hinter ihm und klammerte sich haltsuchend an seinen Rücken, raste er auch schon los.


Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte Sherry auf einem Motorrad gesessen. Und hätte man ihr erzählt, sie würde sich eines Tages mit aller Kraft an einen ledertragenden Biker und gesuchten Frauenmörder klammern, während dieser viel zu schnell über einen Highway in Arizona raste und dabei auch noch ein eigentümliches Gefühl von Sicherheit verspüren, hätte sie diese Art von Scherz ganz bestimmt nicht witzig gefunden.
Aber nun, da sie sich in genau dieser Situation befand, waren ihre Gedanken mit ganz anderen Dingen beschäftigt als der Qualität von Scherzen.

Das Leben der jungen Kunststudentin hatte sich in den vergangenen drei Tagen sozusagen in Wohlgefallen aufgelöst. Es hatte einfach Puff gemacht und nichts war mehr, wie es sein sollte.
Anstelle eines Wochenendtrips mit ihrem Langzeitfreund und einem langerwarteten, ersten Mal in einem romantischen Hotel, war sie von Brad in ein verwanztes Motel mitten in der Wüste geschleppt worden, wo er ihre Weigerung mit ihm zu schlafen damit quittierte, dass er seine Sachen packte und abfuhr. Allein.
Und als sie sich hilfesuchend an den Motelbetreiber wandte, hatte dieser keinen Zweifel daran gelassen, dass er sie nicht einmal telefonieren lassen würde, wenn sie ihm nicht sexuell zu Willen wäre. Ebenso wie alle anderen Männer in dem moteleigenen Truckstop es gehalten hatten.

Ihre entrüstete Weigerung hatte die Männer zunächst amüsiert. Aber nach einer Weile war die Stimmung gekippt und der Vorschlag war gemacht worden, sie einfach zur allgemeinen Verwendung auf einen Tisch zu fesseln. Und ihre Drohung mit der Polizei hatte schließlich nur dazu geführt, dass einer der Männer sie mit einer heftigen Ohrfeige in eine Ecke beförderte, um danach…
Fest presste Sherry die Augen zusammen und versuchte die Tränen zurückzuhalten, als sie sich in allen Details daran erinnerte, wie der Mann seine Hose geöffnet und seinen Penis herausgeholt hatte. Noch einmal durchlebte sie all die Schattierungen der Panik vor dem, was ihrer Meinung nach folgen würde. Inklusive der schockierten Ungläubigkeit, als es beinahe noch schlimmer kam. Als er… er sich unter dem Gejohle der anderen einfach auf sie entleerte.

Aber dann war der Mann namens Malloy aufgestanden, hatte seine Gitarre gegriffen und beinahe beiläufig ihren Peiniger niedergeschlagen. Ohne sich auch nur noch einmal umzusehen, war er dann einfach hinaus gegangen.
War dieser Mann ein Frauenmörder?
Sie konnte es sich nicht vorstellen.
Aber war das nicht immer so mit Psychopathen? Wirkten die nicht immer völlig normal, bevor sie durchdrehten?

Nun… Normal wirkte dieser Mann allerdings ganz und gar nicht. Alles an ihm schien beinahe wie eine verdrehte Kopie von Clint Eastwood. Nur das er nicht einfach so tat. Er meinte sein Verhalten offenbar völlig ernst.
Und… es wirkte.
Wie die kleine sechsjährige Sherry vor dem Fernseher Eastwood angehimmelt hatte, egal welchen Bad Boy er gerade spielte, klammerte sich die knapp zwanzigjährige Sherry jetzt an seinen Nachahmer. Oder war er ein Klon?

Gedankenverloren bemerkte sie die sich verringernde Geschwindigkeit erst, als das Motorrad beinahe stand.
Erschrocken blickte sie sich um, sah aber rein gar nichts. Nur die Straße, die Wüste und einen einfachen, handbetriebenen Brunnen am Straßenrand.
Warum hielt er hier an? Wollte er… sie loswerden? Oder Schlimmeres…?

„Absteigen, Püppi“, brummte er ungehalten.
„Bitte…“, wimmerte sie und klammerte sich noch fester an ihn. „Bitte… Nicht…!“
„Absteigen!“, schnauzte er so laut und aggressiv, dass ihr Körper ganz ohne ihr bewusstes Zutun reagierte. Unvermittelt stand sie hinter der Maschine.

„Ausziehen.“
Nicht einmal mehr ein erschrockenes Kieksen kam aus ihrem offen stehenden Mund, als sie ihn entgeistert anstarrte.
„Aus - zieh - hen“, grollte er so dunkel, dass es beinahe klang, wie das Knurren eines Wolfes. Oder eines Hundes. Eines tollwütigen…

Als er auf sie zu schnellte, konnte Sherry nur noch schreien. Sie hatte nicht vergewaltigt werden wollen, aber sterben wollte sie auch nicht.
Wild um sich schlagend versuchte sie, ihn abzuwehren. Aber seine riesige Hand packte ihren Nacken mit stählernem Griff und riss sie mit sich. Ihre unkoordinierten Schläge schienen ihn nicht im Geringsten zu beeindrucken. Ebenso wenig wie ihre verzweifelten Hilferufe.
Sie verstummte erst, als der erste Schwall des überraschend kalten Wassers auf ihren Körper traf.

Als die unkontrollierte Gegenwehr abrupt aufhörte, ließ er von ihr ab und starrte auf sie hinab.
„Du stinkst wie eine Jauchegrube. Sogar gegen den Fahrtwind.“
„Hättest …“ Mit einem Mal war sie entsetzlich wütend auf den Mann, der so mit ihren Gefühlen spielte und sie in Todesangst versetzte. „Hättest du das nicht einfach… sagen können?“
„Hab ich gerade“, grunzte er, aber sein Mundwinkel zuckte beinahe, als würde er sich ein Lachen verkneifen. „Und jetzt zieh die vollgepissten Klamotten aus. Ich geb dir ein Hemd.“

Dieser Mann machte die, sonst gewiss nicht auf den Mund gefallene, Sherry sprachlos. Aber noch schlimmer als das war die seltsame Macht, die seine Worte über sie zu haben schienen. Oder weswegen kam ihr der Gedanke an Scham erst, als sie ihr Oberteil mitsamt dem BH schon abgestreift hatte? Und wieso überhaupt auch den BH?
Erst sehr verspätet kam ihr der Gedanke, ihre Blöße mit den Händen zu bedecken.

„Mach dich nicht lächerlich“, grunzte er beiläufig, während er in einer seiner Gepäcktaschen kramte. „Ich hab ne Tochter in deinem Alter.“
„Du hast… eine Tochter?“ Wenn das mal keine völlig unmögliche Vorstellung war. „Eine zwanzigjährige Tochter?“
„Zwanzig, huh? Siehst eher aus wie ne magere Fünfzehnjährige mit deinen kleinen Tittchen.“

Ihn sprachlos anstarrend bemerkte sie, wie ihr die Röte auf die Wangen kroch. Aber wirklich unmöglich daran war, dass es weniger Empörung als Scham darüber war, auf ihn wie ein kleines Mädchen zu wirken.
Als sie richtiggehend trotzig die Hände von ihren Brüsten nahm, war da ein beinahe losgelöster Teil ihres Verstandes, der aufstöhnend die Waffen vor dem, ihm völlig unbekannten, dummen Mädchen streckte, in dessen Körper er feststeckte. Aber das ignorierte sie natürlich.
Stattdessen reckte sie dem gesuchten Frauenmörder nicht nur ihr Kinn trotzig entgegen, sondern auch ihre kleine, aber ja wohl nicht mickrige Oberweite.

„Du hast nen Knall“, grunzte er nur und für einen Moment war sie sich fast sicher, dass er lachte.
Vielleicht knallten ihr deswegen auch die letzten Sicherungen durch. Denn anders konnte sie sich später nicht erklären, weswegen sie aufstand und sich in einem Rutsch ihre Shorts mitsamt dem Höschen hinab zog, um sich danach beinahe in Pose zu werfen und ihn noch trotziger anzustarren.

„Keine Haare an der Pussy, aber schon Schlampe spielen wollen, hm?“
Offenbar hatte er gefunden, was er suchte, denn er wandte sich ihr mit einem Kleidungsstück in der Hand zu und musterte sie nun eingehend.
Und obwohl ihr bei seinen Sprüchen nicht nur die Spucke wegblieb und sie sich immer noch mehr schämte, hoffte sie unvernünftigerweise trotzdem, dass ihm doch irgendwie gefallen könnte, was er zu sehen bekam.

„Du hast wirklich keinen Funken Selbsterhaltungstrieb, oder?“, fragte er nun sehr ernst. Zum ersten Mal seitdem sie ihn kannte nahm er die Brille ab und blickte sie direkt an. Und er hatte unglaublich helle Augen…
„Hast du nicht zugehört, was diese jämmerliche Inzestgeburt vorhin gesagt hat? Oder willst du einfach nicht glauben, dass ich ein halbes Dutzend Frauen umgebracht habe?“
Langsam drang die Absurdität der Situation durch ihren Trotz und das vorgereckte Kinn fing als erstes an zu zittern, als ihr ein weiteres Mal die Tränen in die Augen stiegen.

„Lieber Gott, Mädchen…“, seufzte er beinahe resigniert und kam langsam auf sie zu. Diesmal wirkte er ganz und gar nicht bedrohlich, sondern eher besorgt, was den Tränenfluss unglücklicherweise noch verstärkte.
Und als er sie völlig unerwartet in den Arm nahm, brachen schließlich alle Dämme. Nur schwer könnte sie durch ihr eigenes, hemmungsloses Schluchzen seine nächsten Worte verstehen, während sie sich voller Verzweiflung an ihn klammerte.
„Was soll ich nur mit dir machen, Kind? Du verstehst ja nicht mal die allerdeutlichsten Warnungen. Wahrscheinlich würdest du einem Kojoten, der dich nachts anknabbern will, noch dabei helfen dein Bein zuzubereiten und es ihm schön würzen.“

„Du bist kein tollwütiger Hund“, presste sie daraufhin mühsam hervor. Warum auch immer es ihr gerade so wichtig war, ihn das wissen zu lassen.
„Vermutlich nicht“, murmelte er und löste sich dann ein wenig von ihr, um ihr Gesicht in die Hände nehmen zu können. Eindringlich und mit sehr ernstem Blick sagte er dann: „Aber ich habe diese Frauen getötet. Und das sollte dir wirklich Sorgen bereiten.“

Die Worte erreichten Sherrys Ohren. Und irgendwie auch ihren Verstand, in dem der verbliebene Rest Vernunft besorgt aufstöhnte. Aber er versuchte gar nicht erst, sich noch einmal Gehör zu verschaffen. Die unsägliche Göre, mit deren Wohlergehen auch das Seine unglücklicherweise verknüpft war, leistete sich nämlich bereits die nächste Aktion, bei der nicht nur eine Vernunft sich nur noch matt vor den Kopf schlagen konnte.
Statt vor dem Mann zurückzuweichen, der sich gerade selbst ganz offen und ruhig zum Mord an einigen jungen Frauen bekannt hatte, beugte sich die junge Studentin, die von vielen ihrer Bekannten offenbar fälschlicherweise für intelligent gehalten wurde, nämlich vor. Ihre Augen schließend suchte sie mit ihrem Mund nach seinen Lippen und berührte sie sachte.
Sie küsste ihn…!

Beinahe wie von einem Skorpion gestochen führ Malloy zurück, nachdem er für einen kurzen Moment von ihrem Blick gefangen gehalten worden war. Seine Hände verließen ihre Wangen und schoben sie an ihren Schultern auf Abstand.
„Himmelarsch! Mädchen!“, brüllte er verblüfft. „Bist du völlig bescheuert?“
„Ich bin fast eine Frau…“, murmelte sie unwillig und wich seinem Blick nun aus.
„Fast? Fast?“, platzte er etwas schrill heraus.
„Brad war nicht der Richtige“, nuschelte sie etwas undeutlich und fühlte sich dabei sonderbar leicht. „“Das weiß ich jetzt…“
„Hast du gekokst oder nen Sonnenstich?“
Er stockte kurz und betrachtete ihr gerötetes Gesicht und ihre hellen Haare. Vielleicht, ging ihr durch den Kopf, mochte er ja wenigstens die.
„Scheiße… Du hast nen Sonnenstich.“

Irgendwie fand Sherry es beruhigend, dass er sie wieder in den Arm nahm - ja sogar hochhob. Und dann wusste sie erst einmal für eine Weile gar nichts mehr.


Das prägnanteste Gefühl beim Aufwachen waren Kopfschmerzen. Rasende, bohrende, ziehende, stechende Kopfschmerzen.
„Ohh Gott“, wimmerte sie, als der Schmerz immer weiter zunahm, statt langsam abzuklingen.

„Trink das“, murmelte eine autoritär klingende Stimme und jemand hielt ihr eine Flasche an die Lippen. Das Wasser war nicht kalt, aber für den Moment war das bedeutungslos. So durstig hatte sie sich noch nie gefühlt.
Der fremde Mann - ein Arzt vielleicht? Hoffentlich! - zwang sie, nur in kleinen Schlucken zu trinken. Aber irgendwann ließ das Brennen in ihrer Kehle dennoch nach.
„Aspirin?“, flüsterte sie leise.
„Kaum“, lautete die Antwort.
„Bitte?“
„Wenn ich welches hätte…“
„Was…?“, wollte sie aufbrausen, aber ihr Kopf bremste sie sehr schnell aus. Sie versuchte es leiser: „Was ist das für ein Krankenhaus?“

Das antwortende Grunzen mochte als Lachen durchgehen, wenn man es nicht zu genau nahm. Aber was war so lustig?
Mühsam öffnete Sherry ein Auge ein ganz klein wenig und starrte an einem vage vertrauten Gesicht vorbei in den sternenklaren Himmel. Und dann fiel ihr wieder ein, in welch misslicher Lage sie sich befand.
„Ohhh Gott!“, stöhnte sie.

Als ihre Hand auf dem Weg von ihrer Seite zu ihrem Kopf ihren Oberkörper streifte, gesellten sich weitere Sorgen zu der ohnehin schon beeindruckenden Aufstellung hinzu.
„Warum bin ich… nackt?“
„Weil deine Klamotten noch nach Pisse stinken.“
„Meine… was? Oh… Ohh… Nein…“
Weitere Erinnerungsfetzen kehrten zurück und sie gehörten nicht zur angenehmen Sorte. Am liebsten wäre die junge Studentin wieder zu diesem angenehmen Traum von dem kräftigen, mysteriösen Fremden zurückgekehrt, den sie gerade hatte küssen…
„Ohhh… Nein!“

Der Versuch sich ruckartig aufzurichten brachte ihr zwei Dinge ein. Zunächst war da eine schwere, raue Hand mitten auf ihrer linken Brust, die sie wieder nach unten drückte und zum anderen waren da Kopfschmerzen, die so unwahrscheinlich stark anschwollen, dass sie einfach schreien musste.
Als dritte Sache mochte durchgehen, dass der Schrei von einem entfernt klingenden, bellenden Jaulen beantwortet wurde, dass ganz und gar nicht nach zahmem Haustier klang, sondern her nach wilder, blutrünstiger Bestie.
Aber apropos ‚blutrünstig‘…

„Konnten sie mir bitte sagen, dass ich nur geträumt habe, mit einem Frauenmörder unterwegs zu sein? Danke.“
„Der Teil ist wahr…“
„Oh… Na dann…ist ja alles gut. Ich liege dann also nackt neben einem Frauenmörder, der seine Opfer gerne aufschlitzt und den ich zu küssen versucht habe, nachdem ich ihm eine komplette Peepshow geboten habe. Wenn sie es dann vielleicht bitte einfach tun könnten, damit ich aufhören kann, mich zu schämen.“
Ganz tief in ihrem Inneren war sich Sherry bewusst, dass sie noch immer nicht ganz klar bei Verstand war. Und ein leises, geistiges Klatschen vermittelte ihr ein Bild von einer personifizierten Vernunft in ihrem Schädel, die sich mit der Hand vor die Stirn schlug. Aber auf der anderen Seite war genug auch einfach genug. Sie konnte nicht mehr. Es reichte.

„Ich denke nicht“, lautete die indifferente Antwort.
„Oh und warum nicht? Bin ich nicht hübsch genug für die Ansprüche des Herrn Mörders?“
Sich auf die Zunge zu beißen kam als Idee eine Nuance zu spät und woher das jetzt gerade gekommen war und warum es bitter und eingeschnappt geklungen hatte, blieb als Frage in ihrem eigenen Kopf ein unbeantwortetes Echo.
„Wenn du mir dein Ehrenwort gibst, dass du mich mit dieser Sache ab jetzt in Ruhe lässt, dann verrate ich dir, dass ich dich in Wahrheit wirklich bildhübsch und auch nicht mickrig finde. Sogar deine kleinen Titten sind genau richtig so, wie sie sind. Okay?“
Es klang resigniert. Aber nicht unehrlich. Und Sherry schaffte es wieder nicht sich schnell genug zu beherrschen, bevor sie ein wenig zufrieden mit dem Oberkörper gewackelt hatte und ihr ein „Mmh… Ja. Okay…“ entschlüpft war.
„Du bist wirklich…“
„Ein wenig neben der Spur?“, schlug sie vor.
„‘Völlig irre‘ triffts eher.“

Die darauf folgende Stille dauerte nur einen Moment, bevor ihr Mund sich schon wieder schneller in Bewegung setzte, als sie ihn aufhalten konnte.
„Malloy?“
„Ja?“
„Wie heißt du richtig? Mit Vornamen meine ich.“
„Wieso? Passt Mad Dog nicht zu mir?“
„Doch. Schon… Äh… Ich meine… Es passt zu… Also…“ Hilflos kam sie ins stammeln und verhaspelte sich nur noch mehr.
„James“, unterbrach er dankenswerter Weise das kleine, kommunikative Desaster.
„Mmh… James Malloy. Das gefällt mir…“, schnurrte sie zufrieden und gab innerlich einfach auf zu versuchen, ihr eigenes Verhalten zu verstehen. Offenbar war sie in einer Art Fieberwahn gefangen.

„James?“
„Ja?“
„Ich heiße übrigens Sherry“, verkündete sie nach der nächsten, kleinen Gesprächspause. „Nicht Püppi, Mädchen oder Kleines. Aber wenn du willst, kannst du Kleines weiter benutzen. Und vielleicht auch manchmal Püppi. Wie du es sagst klingt es so… irgendwie so…“
„Abfällig?“
„Anzüglich!“
„Und das gefällt dir?“
„Nein…“, murmelte sie. „Doch… Ja. Irgendwie schon…“
„Du bist wirklich ganz schön bescheuert.“
„Mmh-hm“, stimmte sie zufrieden zu und fragte sich nicht einmal, wie dämlich das jetzt eigentlich war.

„James?“, durchbrach sie kurz darauf wieder die Stille.
„Satan gib mir Kraft“, grunzte er und fügte dann ein ganz klein wenig netter hinzu: „Ja?“
„Satan? Uhh… Wie böse“, kicherte sie nur etwas albern.
„Der Andere redet nicht mit mir.“
„Mit mir auch nicht.“ Beruhigend tätschelte sie seine Hand. „Und ich habe niemanden umgebracht.“
„Hoffentlich geht das wieder vorbei“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Sonst musst du in ein Krankenhaus. Oder eine Anstalt.“
„Mmh… Was ich eigentlich fragen wollte…“ Seinen Kommentar ignorierte sie gepflegt. „Warum liegt deine Hand immer noch auf meiner…?“ Sie zögerte und musste dann wieder kurz kichern. „Meiner… Titte?“

„Shit!“, fluchte er und wollte die Hand wegziehen, wie von einer heißen Herdplatte. Aber Sherry hielt sie mit all dem bisschen Kraft fest, dass sie aufbringen konnte.
„Nicht! Bitte! Es ist… schön… So warm und… schön.“
„Du bist im Delirium, Mäd…“
„Ah-ah!“
„Püppi!“ Er spuckte das Wort beinahe aus und sie erschauerte.
„Das ist so erniedrigend, wie du das sagst…“
„Und deswegen solltest du es eigentlich abstoßend finden und nicht anziehend. Du sendest damit eindeutig die falschen Signale, Kleines.“
„Das wiederum klingt sooooo… wunderbarhimmlischbeschützungsvoll.“
Sein Grunzen war mit beinahe absoluter Sicherheit ein unterdrücktes Lachen.

„Und es ist okay, dass es erniedrigend ist, James“, erklärte sie voller Ernst. „Meine Würde und mein Stolz sind irgendwann vor einiger Zeit zusammen mit der… Pisse von einem Arschloch in den Abfluss gespült worden. Und jetzt bin ich nur noch eine Hure…“
„Blödsinn!“, schnauzte er barsch.
„Doch. So nennt man Frauen, die ihren Körper für etwas verkaufen. Und ich verkaufe ihn für einen Weg hier raus.“
„Du …“, setzte er an, aber sie unterbrach ihn gleich wieder.
„Nein warte. Ich verschenke ihn lieber, weil du Huren ja nicht so gerne magst. Und vielleicht schenkst du mir dafür eine Mitfahrgelegenheit?“ Sie überlegte kurz. „Gilt das? Oder ist es trotzdem ein Geschäft, wenn man vorher abspricht, sich sowas gegenseitig zu schenken?
Ohh! Ich weiß! Ich schenke dir meinen Körper und verlange gar nichts dafür. Und wenn du mich nicht mitnimmst, ist mir das egal, weil… weil…“
Ohne das sie auch nur selbst bemerkt hätte, wieso oder wann, spürte Sherry Tränen über ihre Wangen laufen.
„Lass mich bitte nicht als Jungfrau sterben, James“, wimmerte sie dann. „Bitte nicht!“

Nur eine einzige Sache nahm sie noch bewusst wahr, bevor sie ohne Vorwarnung wieder in eine Mischung aus Ohnmacht und Schlaf glitt. Und diese eine Sache war der warme, große, starke Körper, der sich neben sie legte und sie in die Arme schloss.
Und wie gut sich das anfühlte. Viel besser als bei James…

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Ungefähr zur gleichen Zeit versuchte Jesse Taylor noch immer, seinen gekränkten Stolz mit möglichst viel Bier zu verarzten. Seinen Bruder hatte er zusammen mit Cousin Ted zum Arzt gebracht und danach war er zum Truckstop zurückgekehrt, denn es war der einzige Ort, an dem es auch so spät noch Bier gab.
Missmutig dachte er über all die Dinge nach, die er dem Flachwichser von Malloy antun würde, wenn der ihm in die Finger fiele. Vorzugsweise unbewaffnet und gerne auch schon gefesselt oder wenigstens schwer verletzt.

Als sein Blick auf den leise im Hintergrund vor sich hin flimmernden Fernseher fiel, spuckte er in hohem Bogen den Schluck Bier aus, den er gerade aus der Flasche genommen hatte.
Auf der Mattscheibe zeigten die verfickten Nachrichten gerade ein verficktes Bild von der verfickten Schnalle, die noch vor wenigen Stunden hilflos im Lokal herum geeiert war. Und man musste verfickt noch mal nicht lesen können, um die fünf mit den vier Nullen und dem Dollarzeichen dahinter zu erkennen.
„Ed!“, schnauzte er den Barkeeper an, „Dreh d‘ Kist‘ m‘l laudr!“

„…von Unbekannten entführt, die der Aussage des einzigen Zeugen nach als Motorradgang betrachtet werden müssen“, ertönte es kurz darauf aus dem altersschwachen Gerät. „Die Familie des Opfers war bis zur Stunde noch zu keiner öffentlichen Stellungnahme bereit, ließ jedoch über einen Mittelsmann bekannt machen, dass eine Belohnung von zehntausend Dollar für sachdienliche Hinweise gezahlt werden würde, die zur Rettung der jungen Frau führen würden. Und sollte jemand - ganz gleich ob nun ein Biker oder ein aufrechter Bürger, der ‚seiner treuen Bürgerpflicht nachkommen wolle‘ - die Vermisste lebendig den Behörden übergeben oder sich bei einem der Radiosender in Arizona mit ihr einfinden, dann würde die Belohnung sogar verfünffacht.

Ein Polizeisprecher stellte die Herangehensweise der Familie …“

Die Stimme des Nachrichtensprechers verhallte, als Jesse selbst den Ton wieder leiser drehte.



„Da brat mir einer nen Storch“, grunzte der Barmann ungläubig. „Die Kleine war fünfzig Riesen wert und wir ha’m se‘ einfach abhauen lassen.“
Jesse nickte abwesend. Er war mit den Gedanken bereits einen Schritt weiter und formte einen verwegenen Plan.
Natürlich wäre es niemals in Frage gekommen, den Bullen zu stecken, wo sie Malloy finden konnten. Schließlich wollte niemand die Aufmerksamkeit der Behörden auf die eigenen Leichen im Keller richten. Aber ein Kopfgeld für eine Außenseiterin? Nein. Einen Finderlohn!
Schnell zählte er mit Hilfe seiner Finger durch, welche seiner näheren Verwandten für ein paar Riesen dabei helfen würden, sich das Mädchen zu schnappen. Es waren genug, um mit Malloy fertig zu werden. Mit etwas Glück schlug er so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.
Kaum eine Minute später war Jesse Taylor auch schon auf dem Weg zu seinem Pickup.

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Für die große Diamant-Klapperschlange war es ein höchst beschissener Tag gewesen.
Erst hatte ein dämlicher Adler sie mit einer leichten Beute verwechselt und dann hatte das Mistvieh die Dreistigkeit, sich erst beißen zu lassen, als es sie bereits hoch in die Luft getragen hatte. Der anschließende Absturz hatte das robuste Reptil ziemlich mitgenommen.
Gelandet war sie zwar weiterhin in der Wüste, aber auf einer irritierend harten und festen Oberfläche. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich wieder von ihrer Benommenheit erholt hatte.

Das seltsame, laute und große Tier mit den schwarzen Füßen hatte sie erst bemerkt, als es schon fast über ihr war. Und es hatte sich nicht nur überhaupt nicht um ihr drohendes Rasseln geschert, sondern war auch noch direkt über ihr Schwanzende getrampelt, bevor es viel zu schnell für einen Angriff wieder verschwand.
Angeschlagen und ihrer prächtigen Rassel beraubt, hatte die Schlange sich daraufhin von dem schmalen, gefährlichen Band seltsamer Beschaffenheit aus wieder in die Wüste geschleppt und war natürlich vom Einbruch der Nacht und der damit einhergehenden Kälte überrascht worden, bevor sie einen Unterschlupf gefunden hatte.
Müde, gereizt und schwer verletzt hatte sie erst nach Stunden endlich einen flachen, weichen Felsen gefunden, der Wärme ausstrahlte und sich als Ruheplatz anbot.

Aber selbstverständlich hatte an einem Tag wie diesem auch dann noch alles schiefgehen müssen.
Kaum war sie nämlich zur Ruhe gekommen, ertönten plötzlich krächzende Laute von irgendwoher und der Felsen erwies sich als ruhendes, seltsames Tier und geriet in Bewegung.
Wie selbstverständlich wollte die Schlange mit ihren Hornschuppen warnen. Aber sie erzielte keine Reaktion und die Bewegungen irritierten sie zunehmend. Das ihre Rassel gar nicht mehr existierte, kam ihr überhaupt nicht in den Sinn.

Sie wählte den einzigen Ausweg, den die Natur ihrem kleinen Reptilienhirn für eine Situation wie diese einprogrammiert hatte und biss zu. Das ihr Kopf wenige Sekunden später dank einer stählernen Klinge seinen Halt zu ihrem Körper verlor, bereitete ihr nicht mehr sehr lange Kopfzerbrechen.
Wenigstens schmerzte ihr hinteres Ende nun nicht mehr.

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Sherrys Gemütszustand ließ sich mit ‚aufgelöst panisch‘ nur unzureichend beschreiben. Es war eher eine Art hysterischer Hilflosigkeit, gepaart mit völliger Verzweiflung.
Unfähig still zu sitzen tigerte sie immer wieder neben dem liegenden Mann auf und ab, der Teil ihrer misslichen Lage war. Nur Schuld daran war er eigentlich nicht. Und trotzdem lag er nun ihretwegen im Sterben.

Eine Reihe von Schocks hatte ihren Kreislauf in der letzten Stunde in Gang gebracht und obwohl ihr Kopf hämmerte, als würden drei Jugendliche darin gleichzeitig ihre neuen Schlagzeuge ausprobieren, während im Hintergrund jemand Tuba spielte und eine Squaredance-Gruppe versuchte, mit dem Rhythmus Schritt zu halten, schien sie klarer denken zu können, als einige Stunden zuvor.
Und das war nur eines ihrer Probleme.

Ihr friedlicher, sorgenfreier Schlaf war von einer blechernen Stimme gestört worden, die vom Motorrad aus ertönte. Zusammen mit Malloy, in dessen Arm sie sich offenbar im Schlaf gekuschelt hatte, als sei es das Natürlichste auf der Welt, sich an einen Frauenmörder zu klammern, war sie hochgeschreckt.
Bevor ihr verwirrter Geist allerdings hatte anfangen können zu realisieren, was eigentlich los war, hatte der Biker sie grob zur Seite gestoßen, geflucht und ein langes, bösartiges Messer gezückt. Und dann hatte er… einer Schlange den Kopf abgeschlagen, die es sich an ihrer beider Beine gemütlich gemacht hatte. Einer Schlange, die offenbar drauf und dran gewesen war, die jungen Frau zu beißen.
Stattdessen hatte sie dann James erwischt, bevor er ihr den Garaus gemacht hatte.

Ohnehin schon zu Tode erschrocken hatte sie sich dann nur langsam von ihm beruhigen lassen. Und was der Fremde über das Funkgerät seinem ‚alten Freund‘ zu sagen hatte, war dabei keine Hilfe gewesen.
„Taylor tromm‘lt ‘n paar von seiner Brut z’samm’n um fuffzig Ries’n Kopfgeld für ne Kleine einz‘streich’n, die du bei dir hab’n sollst, Alt’r“, rasselte eine müde wirkende Männerstimme aus dem kleinen Apparat. „Zieh lieb’r d’n Kopf ein.“
Selbst mit einem Sonnenstich konnte Sherry daraus entnehmen, dass man nun nach ihr suchte. Und wenn es eine Belohnung gab, dann war nicht nur ihre Mutter in die Sache verwickelt, sondern auch ihr Rabenvater, der sich so eine Summe ohne Probleme leisten konnte.

Das wirklich schlimme an der Sache war, dass James ihr für den Namen Taylor ein Gesicht geben konnte. Und es war genau das Gesicht des Mannes, dem sie am allerwenigsten in die Hände fallen wollte. Nachdem sein Bruder sie angepinkelt und er sich von ihrem finsteren Begleiter beinahe eine Kugel eingefangen hatte, vertraute sie seiner Zurückhaltung ihr gegenüber kein Stück weit.
Und ihr einziger Schutz war von einer verfickten Klapperschlange gebissen worden. Warum musste an manchen Tagen einfach alles schiefgehen?

Es half nicht viel, dass James eher ruhig blieb und sich um den Mann namens Taylor wenig Sorgen zu machen schien. Und auch seine minutiösen Anweisungen, wie sie das Funkgerät einstellen und einen Unbekannten bitten sollte, zu ihnen beiden zu kommen, beruhigten sie nicht sehr.
Stattdessen malte sie sich aus, was passieren würde, wenn sie von Taylor und seinen Kumpanen gefunden wurde. Was er ihr antun mochte, bevor er sie der Polizei übergab. Und… was mit James geschehen würde.
Der Kloß in ihrer Kehle und die Schmerzen in ihrem Magen rivalisierten gehörig mit ihren Kopfschmerzen, als sie sich bewusst machte, dass ihr seltsamer Retter mit ziemlicher Sicherheit entweder an dem Schlangenbiss oder an der Aufmerksamkeit sterben würde, die durch sie auf ihn gelenkt wurde. Und überlebte er all das wider Erwarten, wanderte er ins Gefängnis.
Es half rein gar nichts, dass die resignierte Stimme in ihrem Hinterkopf darauf hinzuweisen versuchte, wie eindeutig ein geständiger Frauenmörder dorthin gehörte. Der Gedanke war für Sherry einfach unerträglich.

James war irgendwann bewusstlos geworden, nachdem sie sein bein nach seinen Anweisungen ruhig gestellt hatte. Noch immer war sie sich nicht sicher, weswegen er sie die Wunde weder hatte aussaugen noch aufscheiden lassen. In Filmen wurde das immer getan.
Sie hätte ihn gern gefragt. Oder einfach nur seine beruhigende Stimme gehört, wie sie halb verächtlich, halb verwundert ‚Püppi‘ zu ihr sagte. Irgendetwas…
Stattdessen hörte sie plötzlich etwas anderes.

„Ich bin wirklich gespannt auf die Geschichte“, erklärte eine ruhige Stimme in ihrem Rücken aus heiterem Himmel.
Sherry fuhr herum und erblickte im Zwielicht eine Gestalt. Ohne auch nur nachzudenken, sprang sie zu der schlafenden Gestalt von James, tastete nach seiner Pistole und richtete das überraschend schwere Stück Metall dann mit zitternden Händen auf den Fremden. Und der ließ ihr alle Zeit der Welt, diese komplexe Aufgabe zu bewältigen und rührte sich nicht.
„Kommen sie nicht näher!“, drohte Sherry und versuchte die Waffe ruhig zu halten.
Es gelang ihr jedoch ebenso wenig, wie ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen, die erschreckend schrill klang.

„Das könnte sich als fatal für unseren Freund erweisen“, lautete die Antwort. „Er ist zwar zäh wie Leder, aber die Schlange sieht ziemlich groß aus und hatte sicherlich einiges an Gift für ihn.“
„Woher…?“
„Aus deinem Funkspruch. Und weil sie dort liegt.“
„Bist du der Freund?“, fragte sie daraufhin überflüssigerweise und ließ zu, dass die Pistole dem immer stärker werdenden Zug der Schwerkraft nachgab.
„Man nennt mich Gebrochene Feder“, gab der Fremde zurück und trat langsam näher.

Wenn es so etwas wie waschechte Indianer überhaupt gab, dann hatte Sherry hier einen vor sich. Er hätte beinahe in einem Western mitspielen können, wenn man Jeans und Hemd gegen etwas passendere Kleidung austauschte.
Mit offenem Mund starrte sie den Mann an, der von Anfang dreißig bis Ende fünfzig so ziemlich alles sein konnte. Dann gaben auch ihre Beine der Schwerkraft nach und sie setzte sich auf den Boden.

„Du siehst aus, als hättest du zu viel Sonne abbekommen“, vermutete der Mann noch während er sich über James Bein beugte und die Bissstelle in Augenschein nahm.
„Das ist nicht so wild“, wiegelte sie ab. „Wie geht es ihm?“
„Es ist eine Weile her, seit das jemand wissen wollte“, murmelte der Indianer und sah sie kurz durchdringend an. Etwas lauter fügte er hinzu: „Er wird leben. Aber er wird auch leiden. Er wird Hilfe brauchen…“
„Was kann ich tun?“, fragte sie sofort, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken.
„Für den Anfang kannst du mir helfen, ihn so vorsichtig wie möglich auf die Trage zu legen, die mein Pferd zieht. Und dann wirst du es führen, während ich sein Motorrad schiebe, denke ich.“

Eine Viertelstunde später waren sie unterwegs und erst da wurde Sherry bewusst, dass sie völlig unbekleidet war. In ihrer Aufregung und bei all den Schmerzen in ihrem Kopf war es ihr erst aufgefallen, als sie feststellte, dass sie keine Schuhe anhatte.
Für einen langen Moment waren ihr alle möglichen Gedanken durch den Kopf geschossen, ohne das sie einen davon hätte greifen können. Es war nicht richtig, aber es störte sie im Moment auch irgendwie kaum. Und so langsam, wie sie sich bewegten, machte es ihren Füßen ohnehin nichts aus. Und da der Indianer so wirkt, als würde er es noch nicht einmal bemerken…
Sie zuckte mit den Schultern und beschloss, dass James Leben wichtiger war als eine Pause.


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